Werke von Fauré, Debussy, Ravel und Poulenc

Fantasque

Franziska Pietsch (Violine), Josu de Solaun (Klavier)

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Audite
erschienen in: das Orchester 12/2020 , Seite 76

„Fantasque“ betiteln Franziska Pietsch und Josu de Solaun ihre neueste CD und beziehen sich damit laut Booklet auf den „roten Faden des Fantastischen, Wunderbaren und Bizarren, des Eigenwilligen und bittersüß Nostalgischen, des Facettenreichen und Humorvollen“, der sich in „der vielfältigen Welt der französischen Violinsonaten“ finden lässt.
Auch wenn diese der Prosa von Konzertführern abgelauschte Charakterisierung der versammelten Musik nur wenig gerecht wird, haben die beiden Künstler eine abwechslungsreiche Werkabfolge zusammengestellt und dabei einige Schlaglichter auf die Entwicklung der Gattung Duosonate zwischen 1876 (Gabriel Faurés Sonate Nr. 1 A-Dur op. 13) und 1943 (Francis Poulencs Violinsonate d-Moll) geworfen, wobei Claude Debussys Sonate g-Moll (1917) natürlich ebensowenig fehlen darf wie Maurice Ravels Sonate F-Dur (1927).
Auch wenn die Auswahl daher nicht wirklich überrascht – man hätte ja auch einmal auf unbekanntere, aber kompositorisch ebenso reizvolle Sonaten von Vincent d’Indy, Louis Vierne, Albéric Magnard, Guy Ropartz oder anderen zurückgreifen können –, stimmt in musikalischer Hinsicht einfach alles. Das individuelle Können beider Partner bietet die Grundlage für ein ausgewogenes, klanglich durchdachtes Zusammenspiel, das auch dort voller feiner Details und unerwarteter Wendungen steckt, wo man die Musik eigentlich zu kennen glaubt: So unterstützt beispielsweise das agogisch unterstrichene Weiterreichen der Melodiephrasen im Kopfsatz von Faurés Sonate die Wahrnehmung der Musik als atmender Organismus, dessen klangliche Existenz zwischen den Polen Dramatik und Ruhe balanciert.
Analog hierzu bringen die Interpreten Debussys Sonate durch ein geduldiges Austasten der Ruhepunkte in Gang und entfalten im Anschluss daran den Kopfsatz aus dem Spannungsverhältnis zwischen sinnlicher Klanggebung und dramatischen Zwischenbereichen, wobei – insbesondere in den nachfolgenden Sätzen – immer auch das Wechselverhältnis von präziser Einhaltung des Taktmaßes und rhapsodischer Gestaltung neu ausgeleuchtet wird.
An der Wiedergabe von Ravels Sonate beeindruckt vor allem die Klarheit der Darstellung: In gekonntem Understatement werden Streich- und Tasteninstrument als unvereinbare, sich nicht vermischen wollende Klangerzeuger einander gegenübergestellt, um dennoch in gemeinsamer Anstrengung verschiedenste Regionen zwischen zarter Zurückhaltung und klanglicher Schroffheit zu berühren.
Der herbe Ernst von Poulencs Sonate bildet sowohl das – gut gewählte – Ende wie auch den Höhepunkt der CD: Auch hier lässt Pietsch immer wieder wohlgeformte, durch unterschiedliche Vibratoschattierungen eingefärbte Kantilenen hören, denen der Pianist mit flexiblem Anschlag begegnet, doch entfalten sich in der ausgefeilten Agogik des musikalischen Dialogs und im sensiblen Umgang mit Tempo- und Ausdruckswechseln darüber hinaus eine Vielzahl anderer, mitunter beklemmend fahler Farbwerte.
Stefan Drees