Louis Spohr
Fantasie in c-Moll für Harfe op. 35
hg. von Masumi Nagasawa
Es ist nur zu bedauerlich, dass es ausgerechnet von dem Stück, das in der Harfenwelt als eines der wichtigsten Probespielstücke fungiert, keine Handschrift gibt.
Alle autografischen Quellen und Manuskripte von Spohrs Fantasie in c-Moll op. 35 für Harfe solo, komponiert im Jahr 1807, sind verschollen. Erst neun Jahre nach der Entstehung bot Spohr die Fantasie, gemeinsam mit den Variationen für Harfe op. 36, dem Verleger Nikolaus Simrock in Bonn zur Herausgabe an. Es folgten bis in unsere Zeit noch viele weitere Neuausgaben mit vielen Zusätzen wie Bindebögen, Ziernoten, Akzenten und Dynamiken. Die Editionsgeschichte von Spohrs Fantasie spiegelt meist die subjektiven musikalischen Vorlieben der Harfenistinnen und Harfenisten, mit deren Ausgaben das Stück unterrichtet und gespielt wurde.
Die vorliegende neue Edition von Masumi Nagasawa bietet einerseits einen wissenschaftlich-kritischen Urtext, basierend auf der Erstausgabe, zum anderen aber auch Informationen über historische Aufführungspraxis, basierend auf Spohrs Violinschule, sowie auf den Abhandlungen Johann G. H. Backofens, dessen Harfenschule wohl die Grundlagen der Spielweise seiner Zeit und damit seiner Schülerin Dorette Scheidler, der harfespielenden Gattin Spohrs, spiegeln.
Eine beiliegende zweite, fingertechnisch nach dem Gusto Backofens eingerichtete Stimme ist historisch sicherlich interessant. Jedoch sei zu bedenken, dass die damalige Einfachpedalharfe Dorette Spohrs völlig andere Voraussetzungen hatte und damit auch klangtechnisch eine andere Spielweise erforderte als das heutige Instrument.
Spohrs Violinschule liefert uns Harfenistinnen und Harfenisten musikalische Anregungen wie beispielsweise zur Behandlung eines Trillers oder die Ermutigung zu Agogik und Tempoflexibilität. Die historische Auseinandersetzung Matsumi Nagasawas in Bezug auf Stil, Tempo, Arpeggio, Artikulation und Ornamente ist eine absolute Bereicherung und beantwortet viele bisherige Unklarheiten. Eine wunderbare Ausgabe, auch in Druck und Format. Sehr empfehlenswert!
Margit-Anna Süß