Feiertag, Hans

Fantasie für Violine und Klavier

hg. für die Heinrich-Simbringer-Stiftung von Thomas Emmerig, Erstausgabe, Partitur und Stimme

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Laurentius, Frankfurt am Main 2015
erschienen in: das Orchester 10/2016 , Seite 61

Gerade einmal 32 Jahre alt wurde der in Wien geborene Komponist Hans Feiertag, bevor er im Sommer 1943 an der Ostfront in Russland fiel. Trotz prominenter Lehrer wie Anton von Webern, Egon Wellesz oder Hermann Scherchen hat Feiertag – zumindest aus heutigem Blickwinkel – kaum Spuren in der Musikgeschichte des 20. Jahrhunderts hinterlassen. Den wenigen vorhandenen haben Thomas Emmerig, die Heinrich-Simbriger-Stiftung und das Sudetendeutsche Musikinstitut in Regensburg nachgespürt. Zurückgreifen konnte man dabei auf bei der Regensburger Künstlergilde verwahrte Nachlasskopien, die ein Freund des Komponisten über den Krieg gerettet hatte.
Schaut man sich Feiertags Fantasie in der Partitur an, so fällt zunächst auf, dass die Violinstimme oberhalb der beiden Notensysteme, die für das Klavier reserviert sind, über große Strecken fast wie eine dritte „Stimme“ für ein Tasteninstrument wirkt. Der Komponist macht ausgiebig Gebrauch von Dop­pelgriffen, verzahnt das Streichinst­rument sehr eng mit dem Klavier und führt die Violine nur selten in höhere und höchste Lagen. Und so wenig die Violinstimme „geigerisch“ wirkt, so selten gewinnt man beim Klavierpart den Eindruck einer besonders pianistischen Schreibweise. Beides führt zu einer engen Verschmelzung der Stimmen, lässt diese rhapsodisch anmutende Fantasie zu einem ernsten Stück Kammermusik werden. Virtuosität ist gleichwohl trotzdem gefragt. Denn dort, wo Hans Feiertag die Intensität binnen weniger Takte enorm steigert und wo kraftvolle akkordische Passagen des Klaviers auf äußerst doppelgrifflastige Abschnitte der Violine treffen, müssen Zusammenspiel und Tongebung präzise aufeinander abgestimmt sein.
Als eines der wenigen Instrumentalwerke Hans Feiertags hätte die vorliegende Fantasie der erste Satz seiner zweiten Sonate für Geige und Klavier werden sollen. Warum sich der Komponist so schwer tat, die beiden anderen geplanten Sätze fertigzustellen, ist nicht bekannt; beschäftigt hat er sich mit diesen jedoch noch Ende des Jahres 1942. Verbürgt sind aber Äußerungen von Feiertag, dass die Fantasie durchaus für sich allein zu stehen vermag. Vielleicht ist das letztlich eine Erklärung, warum der Impuls zur Vollendung der Sonate nicht so stark war.
Der Laurentius-Musikverlag, der in den vergangenen zwölf Jahren eine Vielzahl von Werken weithin unbekannter Komponisten herausgebracht hat und sich der Erschließung vieler bislang wenig beachteter Archive widmet, hat mit der Veröffentlichung von Hans Feiertags Fantasie für Violine und Klavier aus dem Jahr 1940 einen interessanten und wichtigen Beitrag zur Verbreitung jener Musik geleistet, die während des Zweiten Weltkriegs entstanden ist.
Daniel Knödler