Bertold Hummel

Fantasia bucolica

für Viola und Kammerorchester op. 13f, Klavierauszug von Cornelius Hummel

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Schott, Mainz
erschienen in: das Orchester 07-08/2018 , Seite 61

Bertold Hummels “Fantasia bucolica” ist ein frühes Werk des Komponisten. Nach dem Abschluss seines Studiums war er für ein Jahr als Cellist in Südafrika unterwegs. Nach seiner Rückkehr wurde er Kantor in Freiburg und freier Mitarbeiter des Südwestfunks in Baden-Baden. Dort lernte er Willi Stech kennen, der das Kleine Unterhaltungsorchester des Südwestfunks leitete. Auf Stechs Anregung hin entstanden die Werke für Kammerorchester op. 13, darunter auch die “Fantasia bucolica” für Viola und Kammerorchester.
Der 1925 geborene Komponist war zum einen geprägt von seinem Kompositionslehrer Harald Genzmer, zum anderen von der Begegnung mit den Werken Messiaens und Strawinskys.
Die etwa sechs Minuten dauernde Fantasia ist eine wertvolle Bereicherung für die konzertante Bratschenliteratur. Im einleitenden Andante beginnt die Viola mit einem „frei“ zu spielenden gesanglichen Part, der vom Orchester mit Arpeggios begleitet wird. Danach verdichtet sich das Zusammenspiel zwischen Solist und Orchester, wird eine immer stärkere Spanung aufgebaut und es entsteht ein höchst expressiver, mit Dissonanzen angereicherter Klang. Danach folgt eine freie, unbegleitete, elegische Melodie der Viola, die über ein Ritardando hinüber zum Allegro führt. Dieses Allegro ist in der Tradition Hindemiths motorisch angelegt: ein Spiel von Bewegungen und Rhythmen, geistvoll, mit überraschenden Dialogen zwischen dem Orchester und dem Solisten, unterbrochen von ausdrucksvollen melodischen Motiven, von Rhythmuswechseln, die durch Akzente markiert werden und von einer in kurzen Abständen wechselnden Dynamik. Am Ende führt Hummel die Musik zum Andante zurück und zu einem freien Spiel der Solo-Viola in einer auskomponierten Konzertkadenz.
Die Fantasia wirkt noch tonal, ist auf den Ton d bezogen. Aber ihre Klanglichkeit weitet und überspringt die Grenzen einer tonalen Harmonik und bezieht Dissonanzen ein, um Spannung und Energie zu intensivieren. Aus der Schule Genzmers kommend überzeugt dieses Werk durch seine handwerkliche Fundiertheit, die sich auch darin zeigt, dass es aus der Kenntnis der Spieltechnik und der klanglichen Möglichkeiten der Viola heraus komponiert ist. Mit dem Orchester ergibt sich eine facettenreiche Interaktion, die von zurückhaltender Begleitung bis zu polyfoner Dichte reicht.
Die übersichtlich eingerichtete Ausgabe des Schott-Verlags der Solostimme und des Klavierauszugs von Cornelius Hummel eignet sich bestens für Studium und Konzert. Für fortgeschrittene Schüler und für Studenten ist die Fantasia eine höchste Musikalität fordernde Einführung in die Neue Musik. Bei einer Aufführung im Konzert können hier viele Register solistischen Viola-Spiels gezogen werden und entsteht ein spannendes und ausdrucksvolles Konzertieren zwischen Solist und Orchester. Eine wichtige Bereicherung der Violo-Literatur.
Franzpeter Messmer