Mozart, Wolfgang Amadeus

Famous String Quartets

Streichquartette Nr. 19 KV 465, Nr. 21 KV 575 und Nr. 14 KV 387, Serenade in G-Dur "Eine kleine Nachtmusik" KV 525

Rubrik: DVDs
Verlag/Label: EuroArts 2054578
erschienen in: das Orchester 06/2006 , Seite 90

Der Wind säuselt durch die Blätter, die Vögel zwitschern. Der Blick fällt auf einen sonnendurchfluteten Park, im Hintergrund steht ein goldenes Schloss. Die DVD W. A. Mozart – Famous String Quartets des Gewandhaus-Quartetts beginnt wie im Märchen. Alles ist hell, freundlich und prachtvoll – eine heile Welt. Die Einleitung des „Dissonanzenquartetts“ muss in dieser Umgebung wie ein Fremdkörper wirken. Aber sie tut es nicht. Jürnjakob Timm spielt die Achtel auf dem Violoncello mit viel Vibrato und wenig Kern, auch die anderen, nacheinander einsetzenden Streicher ziehen den Dissonanzen ihren Stachel. Es scheint, als wirke sich die Harmonie verströmende Umgebung auf das Klangbild des Ensembles aus. Der große Nachhall im Saal des Barockschlosses Rammenau (Sachsen), in dem die Aufnahme gemacht wurde, verstärkt diese Wirkung noch. Jegliche Härte ist aus dem Spiel verschwunden. Die Konturen verschwimmen. Nichts prallt aufeinander – alles fließt.
Auf seiner Homepage verweist das Gewandhaus-Quartett auf die fast 200-jährige Geschichte des Ensembles. Der Cellist Julius Klengel war in frühen Jahren dabei, der Geiger Joseph Joachim stellte einige Jahrzehnte später den Primarius. Traditionell wird das Quartett aus den beiden Konzertmeistern, dem Solobratscher und dem Solocellisten des Leipziger Gewandhausorchesters gebildet. Die aktuelle Besetzung ist: Frank-Michael Erben und Conrad Suske (Violinen), Volker Metz (Viola) und Jürnjakob Timm (Violoncello). Die große Tradition des Ensembles ist dieser Mozart-Interpretation anzumerken. Im Spiel der vier Streicher entsteht ein runder, gut ausbalancierter Klang, der stets mit viel Vibrato durchsetzt ist und sich hervorragend mischt. Das allerdings auch jede Schärfe geglättet wird, ist die Kehrseite der Medaille. Alle Extreme werden gemieden, besonders auch in der Dynamik. Die Interpretation vollzieht sich in der wohltemperierten Mitte, zwischen mezzopiano und forte.
Das ist sehr schade, gerade weil sich in diesem Quartett ausgezeichnete Musiker zusammengefunden haben. Vor allem der Primarius Frank-Michael Erben entfaltet große Präsenz, wenn er etwa im Finale des „Dissonanzenquartetts“ die rasenden Sechzehntelketten mit verblüffender Leichtigkeit gestaltet. Auch Conrad Suske und Volker Metz sorgen in den Mittelstimmen für viel Energie, sodass die Interpretation an Verve zulegt.
Den hoch liegenden Cellopart beim preußischen Quartett in D-Dur KV 575 spielt Jürnjakob Timm mit schlankem Ton und guter Intonation, die oberen Streicher fügen Leuchtendes hinzu. Aber auch hier, insbesondere im langsamen Satz, entstehen zu wenige Farbabstufungen – das sotto voce des Beginns klingt zu wenig geheimnisvoll. Das „Frühlingsquartett“ KV 387 hinterlässt den stärksten Eindruck. Hier passt die durchweg lichte Klanggebung des Ensembles, das Finale wird brillant musiziert. Der Frühling bricht aus, nicht nur bei den zwitschernden Vögeln im Abspann.
Georg Rudiger