Borowski, Johannes Boris

Fagottkonzert / Wandlung / Klavierkonzert / Chegui

Pascal Gallois (Fagott), Ensemble Intercontemporain, Ltg. Bruno Mantovan/Ensemble Aventure, Ltg. Scott Voyles/ Florent Boffard (Klavier), Deutsches Symphonie-Orchester Berlin, Ltg. Manuel Nawri/Ensemble Interface, Ltg. Scott Voyles

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Wergo WER 6412
erschienen in: das Orchester 02/2015 , Seite 79

Vier Werke, vier Ensembles und ein Komponist: Diese CD-Box aus der Serie „Edition Zeitgenössische Musik“ des Deutschen Musikrats wirft ein Schlaglicht auf Johannes Boris Borowski. Auf den zwei CDs ist ein Streifzug durch das noch recht überschaubare Œuvre des 1979 in Hof geborenen Borowski zu hören, aber keine Entwicklung seines Schaffens nachzuverfolgen: Zu eng liegen die Entstehungsjahre dieser vier Werke
zusammen, zu jung ist noch das Gesamtwerk des heute in Berlin lehrenden Borowski.
In den Titeln der Auswahl fällt ein nach gerade klassischer Zug ins Auge: Kaum jemand überschrieb nach 1945 sein Werk mit „Konzert“, doch jede dieser CDs wird geradezu dominiert von einem Konzert: Auf der ersten ist es das Fagottkonzert von 2012/13, ein Auftragswerk des Ensemble Intercontemporain und von diesem im April 2014 in Paris uraufgeführt; die zweite CD beginnt mit dem Klavierkonzert aus dem Jahr 2010/11. Aber mit der Namensgebung enden auch schon die Gemeinsamkeiten mit der klassisch-romantischen Tradition. Zwar setzt Bernd Künzig im lesenswerten Booklet die Fünfsätzigkeit des Fagottkonzerts mit dem Aufbau des Dramas in Verbindung, allerdings ist dieser Bezug mit dem Ohr nicht nachvollziehbar. Durch die fünf Sätze findet keine stringente Entwicklung statt. Alle Sätze gehorchen ihrer eigenen musikalischen Logik. Borowski verschanzt sich eben nicht hinter literarischen Formen oder Anspielungen, er schreibt Musik – Musik absolut.
Wenn er perkussive Klänge benötigt, dann setzt er das Schlagwerk ein und missbraucht nicht den Korpus des Klaviers dazu. Seine Instrumentation bleibt im eigentlichen Sinn des Wortes klanghaft und gleitet nicht ins Geräuschhafte ab. Und hier liegt der besondere Reiz seiner Tonsprache. Aus kleinsten Elementen, mal eine rhythmische Figur, mal ein Sekundschritt, entwickelt sich ein ganzer Kosmos. Dabei wird der Klang geradezu seziert, zerlegt und wieder neu zusammengesetzt. So entsteht jedes Mal aufs Neue eine eigenwillige und mitunter auch recht sperrige Komposition. Johannes Boris Borowskis Personalstil findet sich da eher in der Methode als in der Tonsprache an sich. Er geht ganz eigene Wege, auf die man sich einlassen, bei denen man den musikalischen Gedanken erst suchen muss. Seine Musik drängt sich nicht auf, erschließt sich nicht beim ersten Hören von selbst. Aber wenn man ihren Spuren folgen kann, ist sie ungemein spannend. Borowskis Klangwelten nehmen den Hörer gefangen, verzaubern ihn geradezu.
Natürlich gewinnt diese Aufnahme nicht zuletzt durch die Perfektion der Ausführenden und der Tontechnik. Jederzeit ist alles schön durchhörbar und räumlich ausgewogen, eine rundum gelungene Aufnahme also, die nicht nur dem eingefleischten Liebhaber moderner Musik gefallen wird.
Markus Roschinski