Werke von Ludwig van Beethoven und Béla Bartók
Face2Face
Amaryllis Quartett
Das Amaryllis Quartett feiert 20-jähriges Bestehen und nimmt dieses Jubiläum zum Anlass, sich den Quartetten von Beethoven zu widmen. In der vorliegenden Aufnahme treffen zwei Streichquartette von Beethoven auf Bartóks sechstes Streichquartett. Béla Bartók komponierte sein Quartett in einer Zeit der persönlichen und politischen Katastrophen: der Beginn des Zweiten Weltkriegs, der Tod seiner Mutter im Dezember 1939 und seine Emigration nach Amerika. Das alles hört man dem Werk deutlich an. Die resignative Stimmung spiegelt das Ende einer Epoche. Bartók kehrte hier zur viersätzigen Form und zur Tonalität zurück. Dreiklangbildungen dominieren deutlich über Quartenharmonik und Quartenmelodik. Den ersten Vivace-Satz in Sonatensatzform musiziert das Amaryllis Quartett mit höchster Intensität. Dies zeigt sich nicht nur beim Einsatz der Bratsche. Deren Melodie leitet dann auch den zweiten und dritten Satz, Marcia und Burletta, ein. Das Cello trägt sie ausdrucksstark im vierstimmigen Satz vor dem Marsch vor. Vor der Burletta spielt die erste Violine im dreistimmigen Satz ebenfalls sehr expressiv und facettenreich.
Die überraschende Versöhnlichkeit von Ludwig van Beethovens letztem Streichquartett in F-Dur op. 135 kommt bei dieser bemerkenswerten Aufnahme in hervorragender Weise zum Vorschein und überzeugt am meisten. Ein einzelnes Motiv leitet in der Bratsche sehr bewegend den ersten Sonatensatz ein. Im Scherzo wird der Staccato-Gedanke im Violoncello sehr deutlich markiert. Ergreifend wirkt dann der Variationensatz in Des-Dur. Beethovens Kunst des Veränderns tritt hier in grandioser Weise hervor. Schon die erste Variation steigert sich von Verhaltenheit zu Emphase. Die enharmonische Umdeutung von des-Moll nach cis-Moll zeigt Klangfarbenreichtum, es kommt zu stimmlicher Verdichtung und deklamierender Motivik in der ersten Violinstimme. Alles besitzt hier nuancenreiche Ausdruckskraft.
Und das Finale imponiert schließlich als origineller Sonatensatz mit kontrapunktischen Raffinessen und einer reizvoll gestalteten Pizzicato-Coda. Auch Beethovens Streichquartett in D-Dur op. 18/3 mit dem markanten Hauptthema im Sonatensatz besitzt formale Klarheit. Das zweite C-Dur-Thema sorgt für klangfarbliche Abwechslung. Und auch das Andante in B-Dur überzeugt mit fließender Emphase, die das Amaryllis Quartett facettenreich betont. Im Allegro triumphiert neben dem Menuett- der Chaconne-Charakter über einem absteigenden Vier-Töne-Bass. Im Finale dominieren dann unbändiges Temperament und Virtuosität mitsamt kontrapunktischer Kunstfertigkeit. Gustav Frielinghaus (Violine), Lena Sandoz (Violine), Mareike Hefti (Viola) und Yves Sandoz (Cello) bilden eine Gemeinschaft der emotionalen Tiefe.
Alexander Walther