Werke von Sergej Bortkiewicz, Ernest Chausson, Fritz Kreisler und anderen
Europäische Wege
Alois Kottmann (Violine), Rudolf Dennemarck (Klavier)
Nimmt man die konzeptuelle Idee dieser CD beim Wort, dann gibt es in Europa seit geraumer Zeit ziemlich einheitlich klingende Musik. Dabei soll in Europäische Wege doch gerade so formuliert es der Geiger Alois Kottmann im Booklet die musikkulturelle Vielfalt und Unverkennbarkeit der Charakteristika der einzelnen Länder im europäischen Raum im Mittelpunkt stehen.
Dass beispielsweise Arcangelo Corelli zu den ausdrucksstarken Meistern des Barock gehört, kann man nur erahnen, denn der vibratogesättigte Vortrag der Folies dEspagne-Sonate lässt weder etwas von den subtilen Affektumschwüngen verraten, die Corelli in seine Komposition eingearbeitet hat, noch zeugt er von einem tieferen Verständnis im Umgang mit älterer Musik. Die Variationenfolge wird vielmehr zu einer pathetischen Angelegenheit, in der nicht der musikalische Zusammenhang, sondern der schöne Ton zählt, und die durch Einfügung der nahezu sinnfreien, stilistisch völlig unpassenden Kadenz von Hubert Léonard weiter an Attraktivität verliert.
Corellis Sonate, an vierter Stelle stehend, ist symptomatisch für die gesamte Produktion, weil der Zugang zu den einzelnen Stücken immer ähnlich und aufgrund wenig facettenreicher violinistischer Tonformung mitunter ziemlich eintönig ist. Am gravierendsten ist dies bei Ernest Chaussons berühmtem Poème op. 25: Bereits das eröffnende Violinsolo wirkt, unterstrichen von Rudolf Dennemarcks Klaviervortrag, eher eckig und ziellos als organisch ausgesponnen, und im weiteren Verlauf mäandert das Werk ohne Höhepunkte sowie ohne jegliche Klangsinnlichkeit bei den fein ziselierten Passagen vor sich hin.
Gelungener ist da schon die viersätzige Sonate g-Moll op. 26 von Sergej Bortkiewicz, der man allerdings nicht, wie Kottmann meint, eine tiefe slawische Melancholie und Brillanz, sondern vielmehr eine starke ästhetische Verwurzelung im Spätimpressionismus anhören kann. Doch auch hier enttäuscht die Umsetzung, weil die Nachzeichnung der melodischen Linien eindimensional und eng wirkt, während die klanglich exponierten Passagen mit Tremoli und Trillern aufdringlich geraten und ohne Sinn für Farbabstufungen musiziert werden. Darüber hinaus fallen hier die aufnahmetechnischen Schwächen der CD besonders ins Gewicht, da die Violine zu weit im Vordergrund steht und das Klavier ohne Tiefenwirkung erscheint.
Fritz Kreislers Präludium und Allegro, als wenig überzeugende Stilkopie nach Gaetano Pugnani kaum als Beleg für europäische Mannigfaltigkeit taugend, fällt schließlich vor allem durch Akzentuierung nebensächlicher musikalischer Details und fehlenden Nachvollzug harmonischer Entwicklungen auf, während Kottmann in Otmar Máchas anspruchsvollen Seikilos-Variationen für Violine solo (1995) immerhin stärker als in den übrigen Stücken die dynamische Gestaltungspalette seines Instruments auszunutzen versteht.
Stefan Drees