Christina Barandun
Erste Hilfe für die Künstlerseele
Stressbewältigung, Kommunikation und Konfliktlösung im Kulturbetrieb. Ein Ratgeber
„Oftmals fühlen sich Orchestermusiker und Chorsänger, die als Solisten ausgebildet wurden, unterfordert und wenig wertgeschätzt. Da nützen Druck und Beleidigungen auf künstlerischer Ebene wenig. In Sachen Personalführung und Mitarbeiter-Weiterbildungen sind die Theater gegenüber der Wirtschaft und Industrie mindestens 20 Jahre im Rückstand.“
Mit diesen klaren Worten beschreibt Christina Barandun in der Einleitung Ihres Buchs Erste Hilfe für die Künstlerseele die aktuelle Situation in Theaterbetrieben: Für viele Mitarbeiter sind ungünstige Kommunikationsstrukturen, hierarchische Führungsstrukturen sowie fehlende Modelle zur Personalentwicklung längst an der Tagesordung. Aber wie sollen dem Publikum auf der Bühne hohe humanistische Ziele vermittelt werden, wenn auf der Hinterbühne ganz andere Strukturen vorherrschen?
Selbst wenn sich die gesetzlichen Rahmenbedingungen im Bezug auf psychische Belastungen am Arbeitsplatz langsam bessern, ist dennoch jeder Mitarbeiter als Erstes selbst gefordert. Nur so kann die seelische Gesundheit wieder zu einer persönlichen Kraftquelle werden. Denn im Prinzip ist allen Künstlern klar, dass sie wie Hochleistungssportler körperliche und mentale Höchstleistungen vollbringen müssen. Trotz dieses Anspruchs ist das Thema Mentalcoaching in der Kunst noch nicht weit gediehen. An dieser Stelle setzt die Autorin an und bietet aus Ihrer Praxis als Organisationsberaterin für Kulturbetriebe praktische und gut umsetzbare Tipps an.
Als Erstes soll die eigene Selbstwirksamkeit optimiert werden, um die typische Opferrolle verlassen zu können. Zu diesem Zweck werden verschiedene Methoden zur Stressbewältigung und zum Management von äußeren Reizen und inneren Gedankenmustern vorgestellt. Dabei spielen auch Mentaltrainings-Techniken und Ansätze aus der Achtsamkeit eine zentrale Rolle. Ein weiteres Kapitel widmet Barandun verschiedenen Kommunikations- und Feedbacktechniken. Hier geht es primär um das Hinterfragen der eigenen Dialogmechanismen, wodurch neue Sichtweisen in festgefahrenen Gesprächsstrukturen ermöglicht werden können. Zum Schluss werden Methoden zur Konfliktbewältigung thematisiert, die mithilfe einer Ebene der gemeinsamen Wertschätzung neue Chancen zum kreativen Wachstum bieten.
Positiv ist hervorzuheben, dass Barandun am Ende jedes Kapitels eine Übersicht von konkreten Anregungen und Übungen auflistet. Damit kann der Leser sofort beginnen, die einzelnen Themen Stück für Stück in seinem Kontext umzusetzen. Insgesamt ist dieses Buch für jeden Theatermitarbeiter empfehlenswert, der eine Portion Selbstreflexion mitbringt und für persönliche Weiterentwicklung offen ist. Natürlich kann Barandun kein sofortiges Allheilmittel für alle komplexen betrieblichen Probleme liefern. Trotzdem ist mit diesem Werk definitiv ein erster Perspektivwechsel möglich, der in Verbindung mit anderen strukturellen Maßnahmen ein beachtliches Potenzial birgt.
Stefan Landes