Giuseppe Verdi

Ernani

Saimir Pirgu, Guanqun Yu, Franco Vassallo, Goran Juric, Prague ­Philharmonic Choir, Wiener Symphoniker, Ltg. Enrique Mazzola

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: CMajor
erschienen in: das Orchester 4/2025 , Seite 77

Um das Fazit vorwegzunehmen: Bei der vorliegenden, im Festspielhaus der Bregenzer Festspiele 2023 entstandenen und nun bei dem Label Unitel erschienenen DVD-Aufnahme von Verdis Frühwerk Ernani handelt es sich um eine äußerst em­pfehlenswerte Angelegenheit. Hier stimmt einfach alles. Die gelungene Inszenierung, die Sänger: innen und das Orchester fügen sich zu einer Symbiose von großem Glanz zusammen.
Es ist immer wieder bemerkenswert, über was für tolle Gesangssolist:innen die Bregenzer Festspiele doch verfügen. Hier wird um einiges besser besetzt als bei anderen großen Opernfestivals. Das beginnt schon bei Saimir Pirgu, der sich als gute Besetzung für den Ernani erweist. Mit seinem hellen, trefflich gestützten, wandelbaren und noch in der Höhe über wunderbare Piani verfügenden Tenor zieht er alle Register seiner anspruchsvollen Partie, die er auch schauspielerisch tadellos gestaltet. Neben ihm bewährt sich als Elvira mit ebenfalls perfekt italienisch fokussiertem, viel lyrischen Glanz verströmenden und sich sicher bis in die Spitzentöne der Partie heraufschwingenden Sopran Guanqun Yu. Ein markant singender Don Carlo ist Franco Vassallo. Sonores, wunderbar dahinströmendes und ebenfalls schön italienisch fundiertes Bassmaterial bringt Goran Juric in die Partie des Don Silva ein. Nicht schlecht sind die wenigen kleinen Nebenrollen besetzt. Am Pult der blendend disponierten Wiener Symphoniker ist Enrique Mazzola den Sänger:innen ein umsichtiger Begleiter. In seiner musikalischen Interpretation entfernt sich der Dirigent etwas von traditionellen Aufführungstraditionen und wartet mit einem mitunter etwas streng wirkenden, kompakten Orchesterklang auf.
Gelungen ist auch die Inszenierung von Lotte de Beer – im Bühnenbild und den Kostümen von Christof Hetzer. Gekonnt versetzt die Regisseurin das dramatische Geschehen in einen zeitgenössischen Krieg. Es fließt viel Blut. Folter und Misshandlungen sind an der Tagesordnung. Das bekommt auch der an einem Rollator gehende Don Silva zu spüren. Augenscheinlich beabsichtigt Frau de Beer, das Publikum für die Eindrücke von extrem blutigen Schlachtfeldern zu desensibilisieren. Das gelingt ihr trefflich.
Dabei zieht sie das Ganze hervorragend in die Groteske. Vieles wirkt dabei tragikomisch. Die Nähe ihrer Deutung zum Absurden Theater eines Beckett wird evident. Das wird insbesondere an dem lächerlich gezeichneten Don Carlo deutlich, den die Regisseurin als alternden Lüstling mit einer Spielzeugkrone vorführt. Insgesamt huldigen die Beteiligten hier einem fragwürdigen Ehrbegriff, was indes ein Fehler ist. Letzten Endes scheitern sie an ihrem eigenen angegriffenen Ego.
Ludwig Steinbach