Stefan Streich

Entrée

für 8 B-Klarinetten im Kreis, Partitur und Stimmen

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Edition Gravis, Brühl
erschienen in: das Orchester 01/2020 , Seite 69

Der Komponist Stefan Streich, Jahrgang 1961, hat sein Wirkungsfeld in Berlin gefunden, wo er seit 2009 künstlerischer Leiter der „Klangwerkstatt Berlin – Festival für Neue Musik“ ist. Seine Studien hat er in Darmstadt an der Akademie für Tonkunst mit Gitarre und Komposition bei Toni Völker begonnen, anschließend an der Musikhochschule Stuttgart bei Helmut Lachenmann fortgesetzt. Weitere Einflüsse erhielt er durch Boguslav Schäfer, Isang Yun und Gottfried Michel König sowie durch die Auseinandersetzung mit John Cage. Sein umfangreicher Werkkatalog ist durch Werkreihen wie Dramatische Studien, Clouds, Jeu de Chiffres geprägt. In jüngerer Zeit hat er Solostücke für mikrofonierte Klarinetten geschrieben.
In Entrée beschränkt Streich sich überwiegend auf den traditionellen Klarinettenklang, da dieses Stück 2018 für die Klarinettenklasse von Jürgen Kupke an der Musikschule Friedrichshain-Kreuzberg geschrieben wurde. Er lässt aber auch Glissando-Effekte, Luftrauschen und Klappenschläge mit einfließen.
Interessant für die Realisation ist die Idee der Interaktion unter den Spielern, die sich im Kreis aufstellen und während des Stücks sehr genau aufeinander reagieren müssen, indem sie sich Einsätze „zuwerfen“, Einsätze „auffangen“, die Tondauern flexibel nach Einsatzfolgen gestalten und zeitlich versetzt unabhängig voneinander agieren. Das kompositorische Material ist technisch einfach gehalten. Streich arbeitet überwiegend mit gehaltenen Tönen (Spitzenton e”’), die jedoch im dynamischen Spektrum genau bestimmt sind.
Entrée beginnt im Tutti mit einem von ppp bis fff differenzierten, über den Tonraum weit gespreizten verklingenden Akkord. Es folgen Akkorde, die sich nahezu clusterartig verdichten und durch leichte dynamische Akzente rhythmisch belebt werden. In einem folgenden Abschnitt beginnt die Interaktion mit der Weitergabe von einzelnen Tönen im Kreis, die sich zu einem engen Klangband formen, das von Tonrepetitionen im Staccato in der tiefen Lage abgelöst wird. Nach der Rückkehr zu einem hohen bzw. tiefen Cluster im Fortissimo, der von einem leisen Akkordgebilde mit einer gewollten (?) Tonverdopplung (cis”) kontrastiert wird, spielen alle in eigenem Tempo einen ruhigen kleinschrittigen Melodieverlauf, der aus den fünf tiefsten Tönen der Klarinette besteht. Es schließt sich den traditionellen Klang auflösend ein letzter Abschnitt mit Luftrauschen und Klappenschlägen an.
Durch die Interaktion der Spieler und die reduzierten technischen Anforderungen kann dieses kurzweilige Stück mit einer Spieldauer von rund sieben Minuten gut als Entrée für Musikschüler ab der Mittelstufe in die Klangwelt der Moderne angesehen werden. Gute Reaktionsfähigkeit und eine große dynamische Bandbreite tragen nach kurzem Studium der speziellen Aufführungshinweise (allerdings mit einigen Druckfehlern versehen) zum Gelingen bei.
Heribert Haase