Henze, Hans Werner

Englische Balladen und Sonette

für Klavier und Violoncello

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Schott, Mainz 2005
erschienen in: das Orchester 11/2005 , Seite 89

1984/85 komponierte Hans Werner Henze Englische Liebeslieder – Canzoni d’Amore Inglese für Violoncello und Orchester, seinerzeit (am 12. Dezember 1986) uraufgeführt durch Heinrich Schiff und das Kölner WDR Sinfonieorchester unter der Leitung von David Shallon. Von diesem Werk schuf Henze 2003 die nun gedruckt vorliegende Fassung für Violoncello und Klavier, die am 16. August 2003 auf der Internationalen Sommerakademie der Universität Mozarteum durch Lucas Fels (Violoncello) und Siegfried Mauser (Klavier) ihre Uraufführung erfuhr. Laut Henzes Lektor wurde diese Fassung, die dem Zeitabstand zur Orchesterfassung entsprechend in Einzelheiten durchaus abweicht und nicht als bloßer „Klavierauszug“ verstanden werden kann, von Henze absichtlich „für Klavier und Violoncello“ benannt.
Zum ursprünglichen Werk schreibt Henze: „Es lagen den zunächst sieben Sätzen (den ursprünglichen 5. Satz habe ich später entnommen und in Introduktion, Thema und Variationen verwandt) sieben englische Gedichte zugrunde aus den verschiedenen Kunstepochen, verschiedenste Seelenzustände und Versmaße enthaltend, die ich auf ihre inhaltlichen Strukturen hin analysiert und in Musik transportiert habe, eigentlich ganz im Sinne von Liedkompositionen, die graduell in Instrumentalmusik verwandelt wurden.“ Die Gedichte bleiben ungenannt und entsprechend schwierig bleibt die formale Feinanalyse der Stücke.
Die Grobformen der sechs Stücke (Tempoüberschriften Ruhig verhalten – Viertel = 72 – Bewegt, heftig, stürmisch – Ernst, getragen – Tango – Sonett) reichen vom vergleichsweise einfachen ABA’ (Nr. 4) und der Vierteiligkeit (Nr. 6) über an Sonettformen angelehnte Gestaltungen (Nr. 2 und 3) und einen kurzen Tango (Nr. 5) bis zur fast rhapsodisch wirkenden Form (Nr. 1). Die Stücke bieten ein reiches Spektrum an Formen, Spieltechniken, dynamischen Nuancen (von ppp bis ffff), Texturen und Stimmungen – die Reichhaltigkeit der Orchesterfassung ist schon allein aus der Partitur (der Klavierpart ist teilweise dreisystemig dargestellt) zu erahnen. Das erste Stück bietet als besonderes Charakteristikum viele Doppel- und auch Dreifachgriffe für den Cellisten, im zentralen dritten nutzt der Pianist den Jazzbesen, im fünften zupft er die Klaviersaiten.
Die Partitur ist sehr gut lesbar und scheint ausgesprochen sorgfältig ediert – wenngleich die gleichartige Darstellung von Glissandi und Haltebögen etwas irritieren mag. In der Cellostimme ist einmal offenbar eine Seitenzahl in den Notentext gerutscht (S. 5 unter T. 58), auch findet sich ein nicht gelöschter crescendo-Rest (S. 5, T. 46); zweimal (S. 16 und 17, Nr. 6, T. 6 und 44) kleben die Bindebögen in den Noten bzw. Punktierungen – vielleicht ließen sich diese Kleinigkeiten im Falle einer Überarbeitung der Auflage korrigieren.
Jürgen Schaarwächter