Works for Cello & Piano

Enchanted

Duo Arnicans: Arta Arnicane (Klavier), Florian Arnicans (Violoncello)

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Solo Musica
erschienen in: das Orchester 11/2018 , Seite 77

Vom Morgenlied bis zum Abendlied, ein Tag im Leben eines Kindes, ein ganzer Lebensweg – allerlei Symbolik wird bemüht, um das Programm der vorliegenden Produktion zu erläutern. Es geht, so lesen wir im Booklet, um die therapeutische Wirkung der Musik, insbesondere des „Gute-Nacht-Lieder-Singens“, auf Kleinkinder. Wir erfahren, dass die CD in Zusammenarbeit mit der Stiftung für Neonatologie Zürich entstanden ist. Adolf Heyduks gefühliges Gedicht Als die alte Mutter mich noch lehrte singen – Dvořák hat es in seinem Zyklus Zigeunerlieder op. 55 vertont – bildet den emotionalen Einstieg.
Bei Licht betrachtet – und damit sind wir beim rezensorischen Kerngeschäft – handelt es sich um eine Sammlung von Originalwerken und Bearbeitungen für Violoncello und Klavier, dargeboten vom Duo Arnicans. Der Cellist Florian Arnicans studierte in Weimar, Düsseldorf und Lausanne und ist als Solist und Kammermusiker unter anderem beim Lucerne Festival und bei den Londoner Proms aufgetreten. Die Pianistin Arta Arnicane stammt aus Lettland. Nach Studien in Riga, Glasgow und Zürich war sie Preisträgerin internationaler Wettbewerbe, darunter des „Prager Frühlings“ 2011. Das duettierende Ehepaar brachte 2016 eine vielbeachtete Debüt-CD heraus, die unter anderem Ernst von Dohnányis selten gespielte Cellosonate enthält.
Verglichen mit dieser Produktion kann der Repertoirewert der Enchanted-CD nicht allzu hoch veranschlagt werden. Was ist zu hören? Elgars Chanson de Matin und Chan­son du Nuit bilden den mottogenerierten Rahmen. Letzterem gehen einige deklarierte Abend- und Schlaflieder voraus: zwei lettische Melodien von Jāzeps Vītols (1863-1948) und Jānis Ķepītis (1908-1989) sowie Bearbeitungen des Abendlieds aus Schumann op. 85 und des unverzichtbaren Brahms’schen Wiegenlieds op. 49/4. Zuvor – sozusagen während des vorausgegangenen Tages – haben wir ein gemischtes Programm vernommen: Es enthält Elegisches von Massenet, Rachmaninow, Sibelius, aber auch Bewegtes wie eine Serenade von Josef Suk, Mendelssohns Lied ohne Worte op. 109 und Manuel de Fallas Suite populaire espagnole.
Mag man hier und da die stilistische Nase ein wenig rümpfen – Pablo Casals’ berühmter Gesang der Vögel erklingt in einer auf cellistische Virtuosität hin aufgemöbelten Version; in Mendelssohns Lied ohne Worte wurden einige Cellotöne um des vermeintlichen Glanzes willen hoch-oktaviert –, so bleibt dennoch festzuhalten, dass hier zwei Könner am Werk sind, die zudem eine überaus feinfühlige Duo-Spielkultur demonstrieren. Arta Arnicanes perlender Klavierklang und des Ehemanns vornehm-warmer, niemals überladener Celloton ergänzen sich ideal und machen diese Kollektion gehobener Salonpiècen zu einem echten Hörvergnügen – das zu loben mir noch leichter fiele ohne das ganze neonatologische Brimborium, ohne die Lifestyle-Fotos vom glücklichen Ehepaar, ohne die Kitschhülle, die die komplette Produktion umgibt und mir schon auf dem Weg zum CD-Player das Leben sauer macht.
Gerhard Anders