Matthias Henke

Emmy Rubensohn

Musikmäzenin/Music Patron (1884–1961)

Rubrik: Bericht
Verlag/Label: Hentrich & Hentrich
erschienen in: das Orchester 02/2023 , Seite 64

Nach der Lektüre dieser Publikation erkennt man: Emmy Rubensohn (1884–1961) gehörte zu den interessantesten Persönlichkeiten der internationalen Kulturszene. Als gut vernetzte Musikmäzenin beflügelte sie das Musikleben im Deutschland der 20er und 30er Jahre und nach dem Zweiten Weltkrieg auch in den USA. Rubensohn war die Tochter des deutsch-jüdischen Strickwaren-Fabrikanten Wilhelm Frank. Dieser gehörte zu den angesehensten Industriellen Leipzigs und ermöglichte seiner Familie ein Leben in Wohlstand. Dazu gehörte auch der Kunstgenuss: So wurde die Tochter Emmy früh an die Musik herangeführt, spielte Klavier und erlebte im Leipziger Gewandhaus berühmte Dirigenten wie Arthur Nikisch oder Wilhelm Furtwängler.
Nach ihrer Heirat mit Ernst Rubensohn zog sie nach Kassel. Dort erlebte das Ehepaar den Ersten Weltkrieg und die Gründung der Weimarer Republik. Die 20er Jahre sind für Rubensohn bewegte und aktive Jahre, denn nun veranstaltet sie in ihrem Haus regelmäßige Salons. Unter den von Rubensohn ideell und finanziell geförderten Künstler:innen findet sich der Wiener Komponist Ernst Krenek, der in Rubensohns Haus seinen Opern-Welterfolg Jonny spielt auf vollendete. In Kassel erlebte Rubensohn auch den Beginn der NS-Zeit mit seinen antisemitischen Ausschreitungen und Hetzkampagnen. Um jüdischen Musiker:innen weiterhin Auftritte zu ermöglichen, begründete sie in Kassel den „Jüdischen Kulturbund“ mit, für den sie Konzerte veranstaltete. Nach einem kurzen Intermezzo in Berlin emigrierte das Ehepaar Rubensohn 1940 nach Shanghai, wo eine jüdische Exil-Gemeinde existierte. 1947 kam Rubensohn schließlich nach New York. Dort traf sie Bekannte wie Krenek und befreundete sich unter anderem mit dem Dirigenten und Komponisten Dimitri Mitropoulos. Eine enge Vertraute wurde sie außerdem von Alma Mahler-Werfel, der Witwe des Komponisten Gustav Mahler.
Erstmals überhaupt hat der Musikwissenschaftler und ehemalige Siegener Universitätsprofessor Matthias Henke das Leben der kulturgeschichtlich bedeutenden Mäzenin in einem umfangreichen Buch aufgearbeitet. Dabei gibt er auch viele private Einblicke. Die Publikation war für ihn eine spürbare Lebensaufgabe, immerhin entdeckte er Rubensohns Namen bereits Ende der 90er Jahre in Kreneks Autobiografie Im Atem der Zeit. Henkes Publikation fußt auf jahrzehntelanger Forschung. Dabei lädt die großformatige und grafisch ansprechend aufbereitete Biografie mit vielen Fotos, Dokumenten und Exkursen dazu ein, sich mit dieser selbstlosen Mäzenin und ihrer ereignisreichen Zeit neu zu befassen. Durch die Zweisprachigkeit (deutsch/englisch) wird zugleich ein internationales Publikum angesprochen.
Matthias Corvin