Baur, Eva Gesine

Emanuel Schikaneder

Der Mann für Mozart

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: C. H. Beck, München 2012
erschienen in: das Orchester 09/2012 , Seite 69

Als Johann Joseph Schickeneder wurde er 1751 in Straubing geboren, ein Sohn von Tagelöhnern ohne Aussicht auf große Zukunft. Aber immerhin: Der Junge erhielt eine Ausbildung am Jesuitengymnasium, welche seinen weiteren Lebensweg bestimmen sollte. Die dort zum Erziehungskonzept gehörigen Theateraufführungen müssen seine Leidenschaft für die Bühne entfacht haben. Unter dem leicht gewandelten Nachnamen „Schikaneder“ machte er bald Karriere als Schauspieler, Sänger, Stückeschreiber, Opernlibrettist und Theaterprinzipal. Der Welt des schönen Scheins gemäß legte er seine bodenständigen Vornamen ab: Als weitaus klangvollerer „Emanuel“ ging er in die Geschichte des Sprech- und Musiktheaters ein.
Pünktlich zum 200. Todestag liegt eine neue, detailreiche Biografie Schikaneders vor, verfasst von Eva Gesine Baur, die bereits mehrere kulturgeschichtliche Bücher publizierte, wobei sie sich mit Mozarts Salzburg und einer Romanbiografie über Constanze Mozart bereits im zeitlichen und örtlichen Umfeld ihres neuen Projekts bewegte. Etwas skeptisch macht den Leser zunächst der Buchuntertitel: „Der Mann für Mozart“. Er lässt befürchten, dass Schikaneder hier wieder lediglich zum Zauberflöten-Librettisten und Papageno-Darsteller reduziert wird. In der Tat wirkt es etwas penetrant, wenn die Autorin in der Schilderung von Schikaneders frühen Jahren häufig Vergleiche zu Mozarts Entwicklung zieht. Aber dann ist man doch angenehm überrascht, wenn jener in weiten Teilen des Buchs dann doch als eigenständige Figur ernst genommen wird.
Chronologisch und nach Lebensstationen gegliedert zeichnet Eva Gesine Baur das Bild eines gewitzten Praktikers, der flexibel den Publikumsgeschmack zu bedienen weiß und bei selbst verfassten Stücken gerne dem Volk aufs Maul schaut. Als erfolgreiche Unternehmerperson schildert sie ihn, die zwar immer wieder in einem Umfeld von Konkurrenz, Neid und Intrigen in die eine oder andere finanzielle Bredouille gerät, sich in seinem unsicheren Gewerbe aber zu behaupten weiß und stets aufs Neue mit effektvollen Inszenierungen begeistert. Menschliche Schwächen kommen ebenfalls unverhohlen zur Sprache: dass Schikaneder wohl als väterlicher Patron seiner Schauspielertruppe wirkte, aber deren weiblichen Teil auch als Freiwild für Amouren betrachtete. Erstaunlich: Wenn Schikaneders sexuellen Eskapaden uneheliche Kinder entsprossen, dann machte Gattin Eleonore, nach zeitweiser Trennung wieder zumindest seine Geschäftspartnerin, schon einmal gute Miene zum bösen Spiel und hielt den Nachwuchs eigenhändig übers Taufbecken.
Nicht zu kurz kommen in der Darstellung der Autorin das Zeitgeschehen sowie das soziale Umfeld, in welchem sich Schikaneders Karriere entfaltete, die ohne Happy End blieb. Der Krönung, dem Neubau des „Theaters an der Wien“, und dem Erwerb eines Landgutes folgte bald der Absturz: abnehmender Erfolg beim Wiener Publikum, finanzieller Ruin im Umfeld der Napoleonischen Kriege, körperlicher und geistiger Zusammenbruch.
Gerhard Dietel