Wolfgang Amadeus Mozart

Eine kleine Nachmusik/Divertimento KV 136/Symphony Nr. 39

Wiener Concert-Verein, Ltg. Milan Turkovic

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: Gramola
erschienen in: das Orchester 2/2025 , Seite 71

Die größten Hits sind oft die schwierigsten Stücke. Nicht nur, weil sie die Spatzen vom Dach pfeifen, sondern weil auch die Musiker sie meist sehr häufig gespielt haben: Es ist nicht einfach, eine Melodie wie am ersten Tag zu spielen, wenn man sie bereits ein ganzes Leben mit sich herumtrug. Die Musikerinnen und Musiker des Wiener Concert-Vereins sind fast durchweg noch recht jung, aber sie sind erfahren genug, um Mozarts Kleine Nachtmusik aus dem Effeff zu spielen.
Die mentale Balance zwischen Neugier und Überdruss, zwischen musikalischer Frische und Routine ist für ein gestandenes Orchester die größte Herausforderung bei der Neuaufnahme eines solchen Werks. Der aus Zagreb stammende Dirigent Milan Turkovic, der als Fagottist auch die andere Seite des Pults gut kennt und etwa unter Nikolaus Harnoncourt im Concentus Musicus Wien spielte, führt den Concert-Verein gelassen durch diese oft gespielte Partitur, die er wohl eher als kleine Sinfonie denn als Serenade begreift. Im finalen Allegro lässt er allerdings die Zügel etwas zu locker, was das Zusammenspiel der Streicher merklich beeinträchtigt.
Was sich dann leider auch durch Divertimento D-Dur KV 136 zieht, wo in schnellen Passagen eher genudelt als artikuliert wird. Im Gegensatz zur Nachtmusik, die in der Zeit des Don Giovanni entstand, ist das Divertimento ein Frühwerk des Salzburgers und stammt aus den Tagen der Oper Lucio Silla. Man kann es durchaus als reduzierte „Salzburger Sinfonie“ begreifen, auch wenn der Ton ein heiterer ist und auch für Freiluftaufführungen gedacht war: Quasi eine lockere Freizeit-Arbeit des Komponisten zwischen anstrengenderen Opern und Sinfonien? So zumindest stellt der Wiener Concert-Verein unter Turkovic sie vor, und das ist kein grundlegender Fehler.
Als Hauptwerk stellt Turkovic sodann die große Es-Dur-Sinfonie Nr. 39 in den Fokus. Hier ist der Klang ein völlig anderer: Ernst und gewichtig tönen die Trompeten, Hörner und Pauken – und genauso die Streicher. Alles wirkt dramatischer, kontrastreicher, fülliger und auch lauter. Erst jetzt wird deutlich, was man in der Serenade und im Divertimento dann vielleicht doch schon etwas vermisste, denn auch diese Werke sind nicht ganz so harmlos, wie sie scheinen mögen. Es wird bei diesen Aufnahmen deutlich mit zweierlei Maß gemessen, und nicht zuletzt artikulieren hier auch die Geigen nicht nur präziser, sondern auch aufregender: Sie erzählen und spielen nicht nur hübsche Melodien.
In der Es-Dur-Sinfonie entfaltet das Orchester unter Turkovic seine ganze Größe und präsentiert einen Mozart, der selbst mit oft gespielten Hits immer wieder fasziniert.
Matthias Roth