Philipp Blom

Eine italienische Reise

Auf den Spuren des Auswanderers, der vor 300 Jahren meine Geige baute

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Hanser
erschienen in: das Orchester 04/2019 , Seite 61

Der Erforschung alter Geigen haftet oft etwas Esoterisches an, wenn Experten versuchen, hinter die „Geheimnisse“ eines Stradivari oder Guarneri zu kommen. Mal ist es der Lack der Streichinstrumente, der dieses Geheimnis bergen soll, mal sind es besondere handwerkliche Techniken, die im Lauf der Zeit verloren gegangen sein sollen. Stets jedoch wird behauptet, dass die klanglichen Eigenschaften der untersuchten Meistergeigen mit Physik allein nicht zu beschreiben seien, dass ihre „Persönlichkeit“ und ihre Geschichte mitschwinge oder nur durch besondere Hände zum Klingen gebracht werden könnte.
Die Wahrheit ist vielmehr: Das auf den ersten Blick so überschaubare Instrument – bestehend aus Saiten, Decke, Boden, Zargen, Stimmstock, Steg und vielen anderen Einzelteilen aus verschiedensten Materialen – ist einfach zu komplex, um es in ein paar wenigen Gleichungen beschreiben zu können. Also müssen, so scheint es, andere Disziplinen herhalten, um die Qualitäten einer Violine zu beschreiben.
Die Geschichte der Entstehung und die der Vorbesitzer stehen dabei besonders im Fokus. Auch der Autor und Hobbymusiker Philipp Blom scheint sich nicht damit zufrieden geben zu können, eine gerade erstandene Geige unbekannten Ursprungs einfach nur ihres Klanges wegen zu schätzen. In seinem Buch Eine italienische Reise beschreibt er die Suche nach dem Ursprung seines geschätzt etwa 300 Jahre alten Instruments, die sich allerdings mehr auf Vermutungen und vage Hinweise denn auf fundierte wissenschaftliche Quellen stützt. Blom entwickelt den Ehrgeiz eines Freizeitforschers, der sich im Besitz einer Rarität oder eines bisher unentdeckten Meisterwerks wähnt, und verfolgt Spuren über den halben europäischen Kontinent hinweg. Diese Spuren haben immer das erklärte (und erwünschte) Ziel Italien; dort sähe Philipp Blom seine Violine, der gleichwohl süddeutsche Einflüsse zugesprochen werden, am liebsten entstanden.
Am Rand seiner Spurensuche versammelt der Kulturhistoriker Blom allerlei große Namen des Instrumentenbaus und der Musikgeschichte. Und neben Stainer und Goffriller, Monteverdi, Locatelli und Bach ist auch noch Platz für jede Menge Standard-Geschichtswissen rund um den Dreißigjährigen Krieg, die Pest und die Rolle der Kastraten in der italienischen Oper.
Mit der Entstehungsgeschichte seiner Geige hat das alles vermutlich wenig zu tun. Philipp Blom bemerkt im Vorwort, er habe der Geschichte rund um sein Instrument nichts hinzugedichtet, sein Buch sei mithin kein Roman, keine Fiktion. Doch die Aneinanderreihung von Assoziationen, die auf kontroversen Gutachten und Meinungen von im Laufe der Spurensuche Befragten basieren, macht eben auch vor einem mageren kulturgeschichtlichen Hintergrund keine spannende Story. So bleibt von diesem Buch die Liebe eines Enthusiasten zur Musik. Nicht mehr – aber auch nicht weniger.
Daniel Knödler