Mendelssohn Bartholdy, Felix

Ein Sommernachtstraum/Die schöne Melusine/Die Heimkehr aus der Fremde/Athalia/Ruy Blas

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Glor GC10291
erschienen in: das Orchester 07-08/2011 , Seite 76

Als der 17-jährige Felix Mendelssohn Bartholdy 1826 die geniale Ouvertüre zu Shakespeares Sommernachtstraum komponierte, gab es offensichtlich noch keine Pläne für eine umfangreiche Schauspielmusik zu der elisabethanischen Komödie. Dass der erfolgreiche Komponist, Pianist und Dirigent 17 Jahre später von der Ouvertüre ausgehend eine Schauspielmusik für eine Aufführung in Berlin schrieb, ging auf einen Wunsch des preußischen Königs Friedrich Wilhelm IV. zurück.
Immer wieder verblüfft, wie bruchlos es Mendelssohn Bartholdy gelang, trotz dieser langen Unterbrechung die Einheitlichkeit des Ganzen zu gewährleisten. So ist es auch durchaus überzeugend, dass Hans Zender und das SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg von der Ouvertüre zum Sommernachtstraum ausgehend – die weiteren rein instrumentalen Stücke der populären Schauspielmusik erklingen ebenfalls – auf ihrer Men­delssohn gewidmeten CD den Bogen zu der Konzertouvertüre Die schöne Melusine sowie zur Ouvertüre zu dem Singspiel Die Heimkehr aus der Fremde und denen zu Athalia und Ruy Blas schlagen.
Die Aufnahmen, die fast ausschließlich im Konzerthaus Freiburg zwischen 1999 und 2007 entstanden, wirken sowohl klanglich als auch von der Interpretationslinie von Zender recht einheitlich. Hier wird detailreich und plastisch musiziert, das Klanggeschehen, bei zurückhaltendem Vibratoeinsatz ist insgesamt transparent, die Dynamik besonders in den Pianoabstufungen sehr differenziert. Zender setzt aber – besonders in den Sommernachtstraum-Auszügen, die in einer Vielzahl von guten bis hervorragenden Einspielungen vorliegen – etwas mehr auf Genauigkeit der Partiturauslotung denn auf eine von Elfenzauber geprägte Atmosphäre.
Das SWR-Orchester, bei dem das markante Blech und die subtilen Holzbläser insgesamt mehr überzeugen als die hohen Streicher, bei denen gelegentlich intensivere Farbigkeit und Rundung das Musizieren optimieren könnten, liefert aber unter Zenders klarer Führung ein ansprechendes Plädoyer besonders für die weniger häufig zu hörenden Ouvertüren der CD. Mit quecksilbriger Leichtigkeit der Holzbläser wird die Welt des Nixenwesens Melusine beschworen, humorvoll erklingt die Heimkehr aus der Fremde, auch bei Ruy Blas nach Victor Hugos gleichnamigem Drama zeigen sich Orchester und Dirigent von den einleitenden lastenden Bläser­akkorden an von ihrer spannungsreich-profilierten Seite.
Leider ist die optische Gestaltung des teilweise schwer lesbaren Booklets nicht auf dem Niveau des Musizierens, und der ansonsten sehr informative Einführungstext führt zumindest bei der Schauspielmusik zu Athalia nach Racines Tragödie in die Irre, wenn behauptet wird, neben der auf der CD erklingenden Ouvertüre hätte von der Schauspielmusik „nur ein Kriegsmarsch der Priester überlebt“. Akustisch vom Gegenteil kann man sich bei der ansprechenden Einspielung der Schauspielmusik zu Athalia durch das Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR, die Gächinger Kantorei und Helmuth Rilling (Hänssler Classic 98.486) überzeugen.
Walter Schneckenburger