Brem, Peter
Ein Leben lang erste Geige
Meine Zeit bei den Berliner Philharmonikern
Im August 1970, im Alter von 18 Jahren, bestand der Geiger Peter Brem das Probespiel bei den Berliner Philharmonikern. 46 Jahre lang spielte er danach im Orchester, erlebte berühmte Dirigenten und mit ihnen auch bedeutende Stationen der jüngeren Orchestergeschichte. Vor allem von dieser erlebnisreichen Zeit handelt dieser Band und richtet sich dabei weniger an Spezialisten, denn an jene Musikfreunde, die sich interessieren für hingetupfte Intermezzi, Gedanken über Musik, Anekdoten über die Menschen, die sie machen, über die Leidenschaften, die sie antreiben, die sich aber auch für Notizen über die geschäftliche und mediale Seite des Betriebs erwärmen können. Kurz: Brem erzählt Geschichten für alle, die gern einen Blick hinter die Bühne werfen würden.
Folglich teilt der Geiger viel von der Alltagsroutine mit, die mit dem Dienst im Orchester verknüpft ist, er richtet seinen Blick auf das, was dem Publikum normalerweise verborgen bleibt und lässt den Leser dadurch an seinem ereignis- und erlebnisreichen Musikerleben teilhaben. Am Beginn steht Brems Schilderung des Weges, der ihn zu den Berliner Philharmonikern geführt hat: Hier spricht er vom frühen Geigenunterricht und seiner Zeit als Jungstudent am Münchner Richard-Strauss-Konservatorium, berichtet vom Probespiel und den hohen Anforderungen, die er dabei zu bewältigen hatte. Und er schildert die ersten Eindrücke, die ihn während seiner Probezeit unter Herbert von Karajan förmlich überwältigten, sodass er regelrecht erschüttert gewesen sei. Den gerade hier vorherrschenden, schwärmerischen Tonfall verzeiht man dem Autor gern, weil das Geschriebene trotz der Emphase danach wieder zur sachlichen Schilderung zurückkehrt.
So befasst sich Brem im zweiten Teil ausführlich mit den Dirigenten, unter denen er während seiner Karriere als Orchestermusiker gespielt hat, steuert interessante Details zu Konzertreisen unter Karajan bei, beleuchtet aber auch dessen Probenstrategien und das enorme Kontrollbedürfnis bei Videoaufzeichnungen. Ebenso würdigt Brem die künstlerische Arbeit von Claudio Abbado und die damit verknüpfte Annäherung an ein jüngeres Repertoire und kommt schließlich auf die Veränderung der organisatorischen Strukturen zu sprechen, die sich unter dem Kommunikationsgenie Simon Rattle ereigneten und unter anderem zur Entwicklung des Education-Programms führten.
Es ist ein besonderes Verdienst des Autors, dass er im dritten Teil aus Perspektive des Musikers auch allgemeinere Themen anschneidet, darunter die Wandlungen von Publikumsstruktur und medialen Bedingungen, die in den zurückliegenden Jahren zur Entwicklung der Digital Concert Hall geführt haben, aber auch die Notwendigkeit der Präsenz in sozialen Netzwerken. Dass dies alles zudem in einem schönen, flüssigen Stil geschrieben ist, macht den Band zu einer angenehmen, empfehlenswerten Lektüre.
Stefan Drees