Frauke Adrians

Ein Leben dem Cello

Die Cellistin und Pädagogin Maria Kliegel wird 70 – und denkt nicht an Ruhestand

Rubrik: Aufsatz
erschienen in: das Orchester 11/2022 , Seite 24

Wer 70 wird, sollte das groß feiern. Wer zugleich auf gut fünf Jahrzehnte einer höchst erfolgreichen Musikerinnenkarriere zurückblickt, hat allen Grund, sich feiern zu lassen – auch und gerade vom langjährigen CD-Label. Spätestens mit 70 denken die meisten daran, sich zur Ruhe zu setzen. Nicht so Maria Kliegel, die am 14. November ihren runden Geburtstag feiert. Sie bleibt aktiv – auf der Bühne und als Pädagogin.

Wieso wird man eigentlich in den Ruhestand geschickt, sobald man den 65. Geburtstag hinter sich hat? Maria Kliegel hält von dieser ziemlich starren Regelung nichts. Fast vier Jahrzehnte lang betreute sie eine Meisterklasse an der Hochschule für Musik und Tanz Köln. Im Februar beendet ihre letzte Cellostudentin, eine Spanierin, ihr Studium mit dem Masterabschluss, „danach ist die Ära Köln für mich Geschichte“, so Kliegel.
Grund genug für sie, sich eine Plattform abseits des Hochschulbetriebs zu schaffen. 2022/23 findet in Essen zum zweiten Mal ihr „Cello-Forum“ statt, eine Meisterkurs-Reihe nicht nur für junge Cellistinnen und Cellisten als Ergänzung zum regulären Studium, sondern für alle, die, wie sie sagt, „das Instrument noch besser, sicherer, ausdrucksvoller und ohne unnötige Ängste spielen wollen, vom Jugendlichen mit Berufsambitionen bis hin zum Hobbycellisten“. Kinder gehören eigentlich nicht zur Zielgruppe, „aber ich habe auch eine Achtjährige im Forum mit einer ganz außergewöhnlichen Begabung, die eine natürliche Musikalität mitbringt und eine riesige, ansteckende Begeisterung und Freude an den Tag legt“.
Ihre Triebfeder, kurz und knapp: „Ich unterrichte so gern!“ Das Weitergeben ihres Wissens und ihrer Erfahrungen sieht Maria Kliegel als zentrale Aufgabe – und nicht etwa als Nebenschauplatz, auf dem sich eine gefeierte Musikerin „auch noch“ tummeln kann. Sie will, dass junge Cellistinnen und Cellisten einen guten Start ins Berufsleben haben. Zugleich möchte sie sie erden und ihnen helfen, eine realistische Einschätzung der eigenen Begabung und Fähigkeiten zu entwickeln. Dazu gehört, unangenehme Wahrheiten auszusprechen. „Der Wind weht so kalt da draußen“, sagt sie im Interview an einem heißen Augusttag in Berlin, „wer nicht brennt, wer ohne Leidenschaft ist, der geht unter.“

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