Dorothea Hofmann

Ein königlicher Traum

für Querflötenquartett, Partitur und Stimmen

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Furore
erschienen in: das Orchester 07-08/2020 , Seite 65

Wie träumen eigentlich Königinnen? – Für Dorothea Hofmann steht fest: Königinnen träumen anders. Doch wie genau? Träumen sie von Gold, Edelsteinen, Rittern, Turnieren, Burgen und Schlössern, festlichen Gastmählern und schimmernden Kleidern? Oder träumen sie nicht vielmehr von Welteroberungen, Entdeckungen und Visionen? Keine Frage: Hofmanns Königinnen sind klug und schön; sie haben Rückgrat, Kraft und Ausdauer und sie realisieren ihre Träume. Dorothea Hofmann, geboren 1961, ist Komponistin, Pianistin, Chorleiterin und Musikwissenschaftlerin. Ihr umfangreiches kompositorisches OEuvre umfasst Orchesterwerke ebenso wie Kammermusik verschiedenster Besetzungen, Solowerke für unterschiedliche Instrumente, unter anderem Klavier, Hackbrett, Orgel, Traversflöte, Panflöte, Akkordeon, Zither, Harfe und Gitarre sowie zahlreiche Lieder und Chorwerke. Ein königlicher Traum für Querflötenquartett aus dem Jahr 2018 ist in der Reihe „Sound Research of Women Composers: Contemporary Music“ beim Furore-Verlag erschienen. Die rund zwölfminütige Komposition mittleren Schwierigkeitsgrades für zwei große Flöten, Altund Bassflöte lässt einen Königinnen-Traum musikalisch lebendig werden. Das durchkomponierte Werk ist klar strukturiert in einzelne Abschnitte, die durch Studierbuchstaben kenntlich gemacht sind. Zu Beginn finden wie im Erwachen die vier Stimmen zueinander. Stehende Klänge geraten allmählich in Bewegung durch trillerähnliche Figuren, gemeinsame perkussive Einsätze in mehreren Stimmen sowie repetitive, an Minimal Music erinnernde Pattern in verschiedenen Lagen. Bei Buchstabe D erklingt Melodisches über einem rhythmisch geprägten Klangteppich. Im „wilden“ mittleren Teil (F-J) herrscht eine ganz andere, euphorisch-extrovertierte Stimmung. Durch zahlreiche Akzente, prägnante Rhythmen, schnelleres Tempo, höhere Lage und sich steigernde Lautstärke bricht sich ein erregter Ausbruch Bahn. Es ist bemerkenswert, dass beim Kulminationspunkt des Stücks zweimal zwei 5/8- bzw. 2/4-Takte eingeschoben sind, während das Werk ansonsten aus 3/4-, 4/4-, 5/4- und 6/4-Takten in freier Abfolge besteht. Auf ein geräuschhaftes Innehalten, das durch frei rhythmisierte Klappengeräusche in allen Stimmen erzeugt wird – dies sind die einzigen neuen Spieltechniken im Stück –, folgt eine durch Triller geprägte Überleitung zum „ruhig atmenden“ Schluss im Tempo Viertel = 60. Der durchgängig im 4/4-Takt komponierte letzte Teil des Stücks ist gekennzeichnet durch expressive, weit gespannte Kantilenen in der ersten und zweiten Flöte, die sich über zarten, rhythmisch pulsierenden Klangflächen entfalten. Ein variiertes Motiv zieht „wie kleine Vogelrufe“ die Aufmerksamkeit auf sich, bevor das Werk mit schlichten, kraftvollen Akkorden endet. Ein königlicher Traum kann wie Programmmusik erlebt werden und ist eine reizvolle Bereicherung des Repertoires für Flötenquartette.
Andrea Welte