Städtische Bühnen Frankfurt am Main GmbH (Hg.)

Ein Haus für das Theater

50 Jahre Städtische Bühnen Frankfurt am Main 1963–2013

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Henschel, Leipzig 2013
erschienen in: das Orchester 03/2014 , Seite 69

Ungewöhnlich ist, dass ein Gebäude eine Festschrift zum 50. Geburtstag bekommt. Ungewöhnlich ist auch die Geschichte der Städtischen Bühnen Frankfurt, die seit 1963 in der „Theaterdoppelanlage“ am heutigen Willy-Brandt-Platz vereint sind. Über die Vorgeschichte informieren das Geleitwort des langjährigen Kulturdezernenten Hilmar Hoffmann und der Aufsatz des FAZ-Architekturkritikers Dieter Bartetzko über „Die unendliche Baugeschichte der Städtischen Bühnen Frankfurt“.
Allzu viel über die Wechselbeziehung zwischen Architektur und Theater erfährt man in dem umfangreichen, mit Aufführungsfotos reichlich ausgestatteten Band aber nicht. Eher ist es eine Geschichte der Theaterproduktionen und noch mehr der Menschen, die in dem Gebäudekomplex und seinen Außenspielstätten Theater gemacht haben – einschließlich des manchmal spannungsreichen Neben- und Miteinanders von zwei, zeitweise auch drei Sparten mit getrennter Leitung. Besonders traurig liest sich die vom Theaterwissenschaftler Gerald Siegmund beschriebene Geschichte des Balletts, das nach vielen Leitungswechseln erst ab 1984 unter William Forsythe zu einer klaren Linie fand. Die Verselbstständigung der Sparte und die Freistellung von Operndiensten erwiesen sich mit dem Weggang von Forsythe als Scheinerfolg: 2004 schloss die Stadt Frankfurt am Main die Ballettsparte aus Kostengründen.
Vieles der Frankfurter Theatergeschichte liest sich als Lehrstück – im Positiven wie im Negativen. Wer heute an öffentlichen Häusern versucht, traditionelle Hierarchien abzubauen oder abzuflachen – wie etwa im benachbarten Mainz der kommende Intendant Markus Müller –, wird aufmerksam studieren, was bei Hoffmann und im Beitrag des Theaterkritikers Michael Eberth über die Phase der Ensemble-Mitbestimmung am Schauspiel zu lesen ist. Insgesamt teilen sich die Schauspiel-Chronik sechs Autoren mit unterschiedlichen Perspektiven. Die vom zeitweiligen Schauspiel-Intendanten Günther Rühle beschriebene Ära des Generalintendanten Harry Buckwitz (1951-1968) ist auch für das Musiktheater von Interesse.
Die besonders sorgfältig bebilderte Geschichte der Oper wird in einem Guss dargestellt von Hans-Klaus Jungheinrich, der als Theaterbesucher und Musikkritiker der Frankfurter Rundschau ein halbes Jahrhundert als neugieriger und kompetenter Beobachter dabei war. Seine „Fortsetzungsgeschichte“ nimmt nicht nur die Intendanzen in den Blick, sondern auch die lange Reihe der GMDs von Georg Solti bis Sebastian Weigle. Der Leser freut sich an pointierten Beschreibungen von Personen und Produktionen und an wachen Diagnosen zu Opernproduktion und -rezeption. Am Ende resümiert Jungheinrich: „Es herrscht Konsens, dass Oper eine den Verstand und die Sinne bedeutend illuminierende Kunstform ist – vielleicht nicht nur die teuerste, sondern auch die an Motiven und Wahrheiten reichste, die zu pflegen als gesellschaftliche Aufgabe ansteht.“ Dass es nach krisenreichen Jahren in Frankfurt am Main soweit kam, ist wesentlich das Verdienst des seit 2002 amtierenden Intendanten Bernd Loebe.
Andreas Hauff