Johannes Brahms

Ein deutsches Requiem, op. 45

Kate Lindsey (Mezzosopran), Jóhann Kristinsson (Bariton), Veronika Eberle (Violine), Thomas Cornelius (Orgel), Chor der Klangverwaltung, Philharmonisches Staatsorchester Hamburg, Ltg. Kent Nagano

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: BIS
erschienen in: das Orchester 6/2025 , Seite 69

Live aus der Elbphilharmonie Hamburg kommt ein Audio-Mitschnitt von Johannes Brahms’ im Jahre 1868 in Bremen aus der Taufe gehobenem Deutschen Requiem. Aufgenommen wurden zwei Konzerte vom 27. und 28. August 2022. Hierbei handelt es sich um eine beachtliche Interpretation, die unbedingt empfehlenswert ist. Indes präsentiert sich dieses Deutsche Requiem etwas anders, als es Kennern des Werkes geläufig sein dürfte. Dirigent Kent Nagano hat die Fassung gewählt, die bei der Uraufführung am Karfreitag des Jahres 1868 gegeben wurde. Damals hatte Brahms das Stück noch nicht ganz beendet. So fehlt hier beispielsweise der letzte, sehr emotional gehaltene Satz „Ihr habt nun Traurigkeit“. An dessen Stelle dirigiert Nagano auf dieser CD einige musikalische Einlagen und Ergänzungen. So erklingt das Andante aus Bachs Violinkonzert in a-Moll sowie das Andante aus Giuseppe Tartinis Violinkonzert in B-Dur. Zudem hört man auf dieser CD das „Abendlied“ aus den Zwölf Klavierstücken für kleine und große Kinder von Robert Schumann. Ebenfalls vertreten ist das „Erbarme dich“ aus Bachs Matthäuspassion. Den Abschluss bilden drei Stücke aus Händels Messias in der Bearbeitung von Mozart: die Chorteile „Kommt her und seht das Lamm“ und das berühmte „Hallelujah“ sowie die Sopran-Arie „Ich weiß, dass mein Erlöser lebet“. Diese Zusätze machen durchaus Sinn, da sie den dem Werk übergeordneten Karfreitagsgedanken noch verstärken. Diese Hinzufügungen werfen ein ganz besonderes Licht auf Brahms’ Deutsches Requiem, das man in dieser Form in unserer Zeit wohl noch nie gehört hat. Interessant ist es jedenfalls, das Werk einmal in der Gestalt seiner Uraufführung zu hören.
Kent Nagano wartet mit genau dem richtigen Maß an Expressivität auf und lässt es an ausgemachter, wohl dosierter Spannung nicht fehlen. Der Ausdrucksgehalt und das musikalische Erlebnis sind enorm. Das hervorragend disponierte Philharmonische Staatsorchester Hamburg setzt Naganos Intentionen versiert und klangschön um. Mächtig ins Zeug legen sich die von Jörn Hinnerk Andresen prächtig einstudierten Chöre, und auch Veronika Eberle (Violine) und Thomas Cornelius (Orgel) gelingt es, der Aufnahme ihren ganz persönlichen Stempel aufzudrücken. Auf glänzendem Niveau bewegen sich die Vokalsolist:innen. Der Bariton Jóhann Kristinsson besticht durch hohe Musikalität, eine wunderbare italienische Gesangstechnik, eine sehr sonore Tongebung sowie elegante Linienführung. Ihn möchte man mal in einer Opernrolle erleben. Nicht minder beeindruckt Kate Lindsey, die einen ebenfalls prachtvoll fokussierten, profunden und tiefgründigen Mezzosopran ihr Eigen nennt.
Ludwig Steinbach

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