Quantz, Johann Joachim

Eight Caprices and other works

for solo flute, hg. von Eric Lamb

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Paladino Music, Wien 2015
erschienen in: das Orchester 01/2016 , Seite 74

Johann Joachim Quantz wurde 1697 als fünftes Kind eines Hufschmieds geboren; er starb 1773 als Kammermusikus, Hofkompositeur und Flötenlehrer Friedrichs des Großen. Eine steile Karriere, die zweifelsohne auch zu seinem Ruhm in der Nachwelt beitrug. Daneben ist er heute in erster Linie als Autor des Buchs Versuch einer Anweisung die Flöte traversière zu spielen bekannt, einer 1752 erschienenen Flötenschule, die doch viel mehr als das ist: noch heutige Musiker – nicht nur Flötisten – konsultieren dieses Werk wegen der darin enthaltenen umfassenden und kenntnisreichen Informationen zu Stilistik und Aufführungspraxis der Zeit.
Doch Quantz hinterließ auch ein recht umfangreiches Œuvre an Werken, vor allem für die Traversflöte. Im vorliegenden Heft finden sich nun 27 Werke des Flötisten und Komponisten, darunter acht Capricios, daneben Fantasias, einige Tanzsätze und ein Praeludium für Flöte solo, aber auch fünf Stücke von Komponisten, die Quantz sehr schätz­te, nämlich
Johann Martin Blochwitz und Michel Blavet.
Die Werke unterscheiden sich zwar vom Schwierigkeitsgrad ein wenig, aber keines ist für Anfänger geeignet. Der Ambitus reicht von d’ bis a”’; somit lotet Quantz die Möglichkeiten der barocken Traversflöte restlos aus. Viele der Werke gemahnen an Etüden: gebrochene Akkorde und Intervalle, Tonleitern oder -ausschnitte, wiederholte rhythmische Modelle, aber auch knifflige Wechsel, etwa zwischen Vierer- und Dreiergruppen. Dennoch möchte man hier nicht einfach von Übungsstückchen sprechen, denn die meisten besitzen durchaus harmonische Reize, die sehr zum wiederholten und im rechten Rahmen auch konzertanten Spiel einladen.
Die Edition des Querflötisten Eric Lamb ist hinsichtlich des Notentextes gelungen, mit klarem Druck und blätterfreundlicher Einrichtung. Man kann sich allerdings an gewissen ästhetischen Eigenheiten stören: So sind alle Stückbezeichnungen klein geschrieben; insbesondere bei den Angaben zum Quantz-Werkverzeichnis ist das irritierend. Auch scheint es überflüssig, dass vor jedem Titel noch die Nummer des Stücks steht; die Seitenzahlen wären ausreichend, um sich auf 35 Seiten nicht zu verlieren. Das (ausschließlich in ziemlich schlechtem Englisch vorhandene) Vorwort offeriert knappe Informationen zu Quantz; historisch-kritische Anmerkungen zu Notentext oder Edition fehlen.
Eine beim selben Verlag erhält­liche CD (pmr 0060), auf der die Stücke in der Reihenfolge des Notenbandes von Lamb eingespielt wurden, ist hilfreich, um sich einen ersten Eindruck der Werke zu verschaffen. Zu loben wäre hier Lambs Ton, der rund und substanzvoll durch alle Lagen ist; auch an seinen Tempi können sich Spieler im Großen und Ganzen gut orientieren. Seine sehr unklare Artikulation, rhythmische Schwankungen und der weitgehende Verzicht auf stilistisch angemessene Verzierungen weisen allerdings darauf hin, dass er Quantz’ Flötenschule wenn denn gelesen, so zumindest in keinster Weise verinnerlicht hat.
Andrea Braun