Ludwig van Beethoven

Egmont

Incidental Music to Goethes Tragedy op. 84, Matthias Brandt (Sprecher), Olga Bezsmertna (Sopran), Beethoven Orchester Bonn, Ltg. Dirk Kaftan

Rubrik: CD
Verlag/Label: Musikproduktion Dabringhaus & Grimm
erschienen in: das Orchester 06/2019 , Seite 65

Das Beethoven-Jahr 2020 zum 250. Geburtstag wirft seinen Schatten voraus. In Bonn, der Geburtsstadt Beethovens, begibt sich ein Orchester auf die Suche nach dem jungen Feuergeist und will, entdeckerfreudig wie auch Beethoven war, auf künstlerisch höchstem Niveau neue musikalische Welten erschließen. Das Beethoven Orchester Bonn geht gemeinsam mit seinem Generalmusikdirektor Dirk Kaftan auch mit außergewöhnlichen Konzertprojekten Wege, die in die Herzen der Zuhörer führen. Ein besonderes Anliegen ist es, den Geist über die Region hinaus weiterzutragen.
Die MDG-Aufnahme (eine realistische Aufnahme ohne klangmanipulierende Eingriffe) der Schauspielmusik zu Johann Wolfgang von Goethes Trauerspiel Egmont op. 84 bringt nun Beethovens Bühnenmusik als CD in die Wohnstuben. Die ausschließlich aus Original-Zitaten bestehenden und von Tilmann Böttcher bearbeiteten Zwischentexte interpretiert Schauspieler Matthias Brandt in eindrücklicher Weise.
In den musikalischen Motiven äußern sich Ordnung, Freiheit, ­Sicherheit, Ruhe im Gegensatz zu Aufruhr, Terror und Krieg. Stimmungen und Gedanken aus der Musik aufnehmend, fungieren die Texte überleitend zum nächsten Musikstück. Geben sie außerdem einen Überblick über das Stück, geschieht das beeindruckend einfühlsam und trotzdem markant ausgeführt.
In gemäßigtem Tempo beginnend steigert sich die Dramatik mit hart gesetzten Akzenten bis zum temporeichen furiosen Ende. Der musikalische Austausch zwischen Flöte, Klarinette und Streichern gelingt den Musikern hervorragend. Ein Schauer überläuft den Rücken beim Einsetzen der Blechbläser sowie dem final treibenden Tremolo der Streicher. Die recht ruhige Stimme des Sprechers unterstreicht das innige Nachsinnen über Sinn und Unsinn politischer sowie weltanschaulicher Positionen. Musikalisch unterbricht marschartiges Trommeln immer wieder die Sehnsucht nach Glück und Frieden.
In „Die Trommel gerühret!“ besticht die Sopranistin Olga Bezsmertna mit ihrer einfühlsamen Gestaltung der Artikulation im Wechselspiel mit den Orchestermusikern. Nach der sehr leise eingefügten textlichen Aufforderung, das Leben im Augenblick zu genießen, erklingt in Freud und Leid ergeben und doch aufbegehrend in Gewissheit „Glücklich allein ist die Seele, die liebt“. Im Melodram skizzieren die Musiker aufwühlend schöne Erinnerungen, schicksalsergebene Trauer und Seelenfrieden. Doch Egmonts Tod ist nicht umsonst, der Kampf gegen die Tyrannei geht weiter. Mit „Klärchens Pfeifchen“ in der abschließenden Siegessinfonie explodiert der Orchesterklang triumphal im Heldentum.
Goethes Texte haben über die Jahrhunderte ihre Aktualität bewahrt – eine musikalisch sowie sprechtechnisch brillante Demons­tration eines immer währenden Themas. Einziges Manko ist die schlechte Lautstärkeregulation zwischen Musik und Text-Einsprache.

Ingrid Ploß