Werke von Benjamin Britten, Elizabeth Maconchy, Ralph Vaughan Williams, ­Arnold Bax und Fernando Buide del Real

Ecos de Breagán

Iria Folgado (Oboe und Englischhorn), Raquel Areal und Sara Areal (Violinen), Héctor Cámara (Viola), Iago Domínguez (Violoncello)

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: Poliédrica
erschienen in: das Orchester 12/2024 , Seite 74

Die 1996 im spanischen Galizien geborene und an der Berliner Hanns-Eisler-Musikhochschule bei Dominik Wollenweber ausgebildete Iria Folgado ist seit 2021 Solo-Englischhornistin im Konzerthausorchester Berlin. Mit dieser CD stellt sie sich in gut 60 Minuten als Kammermusikerin an der Oboe wie an dessen tieferer Ausgabe, dem Englischhorn, vor.
Mit einer Ausnahme hat sie dafür ausschließlich englische Kompositionen für Blasinstrument und Streichtrio bzw. Streichquartett aus den Jahren 1922 bis 1932 ausgewählt. Die 1932 geschriebenen, noch „jugendlichen“ Stücke des 1913 geborenen Benjamin Britten (einsätziges Phantasy Quartet op. 2) und der sechs Jahre älteren Elizabeth Maconchy (dreisätziges Quintet), seinerzeit bei Kompositionswettbewerben ausgezeichnet, sind ansprechende Zeugnisse früh ausgeprägter, unterschiedlicher Personalstile.
Gegenüber diesen beiden 15 bzw. 13 Minuten dauernden Großformen entfalten die Six Studies in English Folksongs von Ralph Vaughan Williams, 1926 für Englischhorn und Streichquartett gesetzt, einen geradezu aphoristischen Charme – der ganze Zyklus dauert weniger als neun Minuten, das abschließende Allegro „I Walked Over London Bridge“ ist nach 50 Sekunden vorbei.
20-minütiges Hauptwerk der CD ist das Oboen-Quintett des englischen Spätromantikers Arnold Bax (1883-1953); über dessen Liebe zur irisch-keltischen Kultur lässt sich überdies eine Beziehung zum CD-Titel „Ecos de Breogán“ herstellen: In La Coruña baute der mythische keltisch-galizische König Breogán einen Turm, der eine Aussicht bis nach Irland eröffnet haben soll. Alle drei Sätze des 20-minütigen Werks sind von großer Originalität und mitunter geradezu sinfonischer Dichte; die abschließende „Jig“ klingt am Anfang wie eine Parodie auf George Gershwins 13 Jahre später entstandenen Song I Got Plenty O’Nuttin’.
Das Adagio für Englischhorn und Streicher hat Iria Folgados Landsmann, der 1980 geborene Galizier Fernando Buide del Real, 2021 nach einem zwei Jahrzehnte älteren Streichquartett für sie arrangiert – ein tonal-melodisches, klangschönes Stück, das sich gut ins Gesamtbild der Werkfolge einfügt.
Iria Folgado erweist sich in allen Werken als souveräne, einfühlsame und absolut intonationssichere Interpretin, auf der Oboe mit geschmeidiger, niemals scharfer Tongebung, auf dem Englischhorn mit großer Wärme und beachtlicher dynamischer Bandbreite. Die kooperierenden Streicher zeigen sich auf gleicher Anspruchshöhe. Der Tonmeister Francisco Soutinho Ventura hat ein Optimum an Klangbalance erarbeitet.
Absolut hörenswert – trotz des wegen farblicher Ungeschicklichkeiten teilweise nur mit Lupe lesbaren Booklets.
Rainer Klaas