East West Symphony Hiwar

Masaa: Rabih Lahoud (Gesang), Marcus Rust (Trompete und Flügelhorn), Clemens Poetzsch (Klavier), Damian Kappenstein (Schlagzeug), Jenaer Philharmonie, Ltg. Bernd Ruf

Rubrik: CDs
Verlag/Label: gpArts
erschienen in: das Orchester 07-08/2021 , Seite 77

Das Besondere dieser CD beginnt mit dem Layout. Rätselhaft in arabischer Kalligrafie steht das Wort Hiwar (arabisch: Dialog) in monolithischem Weiß auf dunklem Blaugrund. Nur das Nötigste wird kommuniziert und der Schwerpunkt liegt ganz auf der Botschaft: ein kurzer Aufruf zum Dialog zwischen allen möglichen Gruppierungen von Religion, Alter und Stil.
Der hier tatsächlich stattfindende Dialog reiht sich in die Geschichte der musikalischen Grenzüberschreitungen ein, die schon seit Jahrzehnten zwischen Pop, Jazz und Klassik erprobt werden und wofür der Orchesterleiter Bernd Ruf sich mehrfach ausgezeichnet hat. Anders als bei Daniel Barenboims West Eastern Divan Orchestra – an welches der Titel East West Symphony erinnern könnte – stehen hier nicht klassische Werke in neuer Interpretation im Zentrum, sondern ausschließlich Kompositionen der Masaa-Mitglieder. Der Fokus liegt also auf dem Dialog west-östlicher Klangwelten und -farben, die in den zwölf Stücken auf sehr breitgefächerte Art präsentiert werden.
Mit sinfonischer Wucht und ansteckender Frische eröffnet Hiwar als arabischer Titel den musikalischen Dialog. Schon hier wird klar, dass erstklassige Musiker am Werk sind. Die Ensemblesolisten ragen ebenso hervor wie die klangliche Sensibilität des Orchesters – sich bruchlos verbindend in rhythmisch groovigen und orchestral brillanten Kaskaden, die von Fabian Joosten instrumentiert wurden.
Allein die Güte der Musiker aber macht nicht den Dialog, der zwar differenziert zwischen den Instrumenten und dem Gesang geführt wird, wobei die Singstimme sich in orientalischen Melismen ergießt, diese aber sehr eigenwillig und virtuos einsetzt. Der Dialog ist tatsächlich vielgestaltig entwickelt, auch in den Stilen, die zwischen Jazz, Folklore und auch Alter Musik changieren. So scheint ein Bläsersatz des Stückes Ya insan – reich an getragener Intimität in orientalischem Charme – plötzlich in die Gefilde von Barockmusik zu entführen.
Besonders gut gelingt der Dialog, wenn sich die Instrumentalgruppen gegenseitig anschleichen und ganz ungewöhnliche Resonanzen zwischen den Gruppen erzeugen, beispielsweise in Über mir. Insgesamt aber wird auf kompositorischer Ebene ein sehr zahmer Dialog geführt, der bei aller klanglichen Raffinesse doch in den Gewässern mainstreamiger Filmmusik verbleibt. Das Orchester besitzt insgesamt den Charakter eines Resonanzkörpers, der – ähnlich wie im Buch Resonanz des Soziologen Hartmut Rosa – das Bild einer gelungenen Weltbeziehung inszeniert.
Allzu gelungen, könnte man als Fazit anfügen, denn ein Dialog besteht auch aus echten Meinungsverschiedenheiten und gelegentlichen Differenzen, die eines Prozesses bedürfen, um sich gegenseitig anzunähern oder unterschiedliche Standpunkte klarzustellen. Von solch schwierigen Prozessen ist das Kompositorische dieses Dialogs – schwelgend im Schönklang und in bestechenden Beats sich wiegend – weit entfernt.
Steffen A. Schmidt