Lubkoll, Christine / Harald Neumeyer (Hg.)

E. T. A. Hoffmann-Handbuch

Leben – Werk – Wirkung

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: J. B. Metzler, Stuttgart 2015
erschienen in: das Orchester 06/2016 , Seite 63

Hier wurde eine große Chance vergeben. In seiner Handbuch-Reihe hat der Stuttgarter Wissenschaftsverlag J.B. Metzler nun einen schönen Band zu E.T.A. Hoffmann herausgeben lassen. Die beiden Spezialisten für deutsche Literatur des 19. Jahrhunderts, die Erlangener Lehrstuhlinhaber Christine Lubkoll und Harald Neumeyer, stellten getreu der Tradition der Handbuchreihe Aufsätze verschiedener Hoffmann-Spezialisten zu einzelnen Werken zusammen, zur Biografie sowie zu einzelnen Schlagwörtern, die in Werk und Leben Hoffmanns eine Rolle gespielt hatten.
Dass E.T.A. Hoffmann beinahe ebenso viele Kompositionen wie literarische Werke geschrieben hat, ist in diesem Handbuch kaum sichtbar gemacht. Wenn die 14-bändige E.T.A.-Hoffmann-Ausgabe Ausgewählter Musikalischer Werke aus dem Schott-Verlag noch nicht einmal in der schmalen Auswahlbibliografie Erwähnung findet und Werner Keil für sein Kapitel „Hoffmann als Komponist“ mit viereinhalb Spalten etwa ebenso viel Platz erhält wie dem Kapitel „Hoffmann als Zeichner“ vorbehalten ist, dann ist die heutige Wahrnehmung des Dichter-Komponisten in eine merkwürdige Schieflage geraten. War doch gerade für das 19. Jahrhundert die Herausbildung von Künstlerpersönlichkeiten mit Doppel- oder Mehrfachbegabungen ein bedeutsames Phänomen. Auch wenn Werner Keil, der sich 1989 über Hoffmann als Komponist habilitierte, das heutige ansteigende Interesse des Musikmarkts an den Kompositionen Hoffmanns konstatiert, traut er sich leider nicht, dem Epigonen-Vorwurf gegen Hoffmann neue Begrifflichkeiten entgegenzusetzen.
Das E.T.A. Hoffmann-Handbuch ist inhaltlich in fünf Abschnitte untergliedert. Man meint Hoffmanns Leben auf sieben Seiten abhandeln zu können, berichtet dann aber teilweise enorm kleinteilig, sodass die Persönlichkeit Hoffmanns ganz unscharf bleibt. In einem Parforceritt werden jedem einzelnen literarischen Werk im Hauptteil des Handbuchs zwei bis acht Seiten zugestanden. Es wird hier nicht nach Haupt- und Nebenwerken differenziert. Schön und für jüngere Leser im 21. Jahrhundert durchaus hilfreich ist der Abschnitt „Kultur und Wissenschaft“, in dem geduldig Begriffe wie Mesmerismus oder Physiognomik thematisiert werden.
Die Gattung Handbuch, die heute Aspekte sowohl eines Lexikons wie eines Kongressberichts bedienen muss, kommt an ihre Grenzen, wenn wie im vierten Abschnitt Themen wie „Ästhetik des Schreckens“ oder „Humor/Ironie/Komik“ auf je fünf Seiten eingedampft werden müssen.
Verdienstvoll und pragmatisch organisiert erscheint der fünfte Abschnitt zur Rezeptionsgeschichte von Werk und Persönlichkeit Ernst Theodor Amadeus Hoffmanns.
Katharina Hofmann