Jon Lord

Durham Concerto

für Violine, Violoncello, Northumbrian pipes, Hammondorgel und Orchester, Studienpartitur

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Schott
erschienen in: das Orchester 07-08/2020 , Seite 64

Zum Jubiläum sollte es etwas Besonderes sein: Immerhin feierte die Universität Durham 2007 ihren 175. Geburtstag! Und John McLaren, selbst Absolvent der Universität, gewann den Deep-Purple-Keyboarder John Lord zur Komposition des Durham Concertos; einen Hardrocker mit Affinität zur Klassik. Nach einem Besuch im Norden Englands schuf Lord in Six Parts, vulgo: Sätzen, ein Klangporträt der Stadt, vom Sonnenaufgang über der mächtigen Kathedrale, den Studentenulk am Abend bis hin zur Nachtstimmung. Uraufgeführt durch das Liverpool Royal Philharmonic Orchestra in der Kathedrale Durhams fand das Konzert regen Beifall und viele weitere Aufführungen. Schon beim ersten Blick in die Partitur erkennt man, warum die Aufführung auf begeisterte Zustimmung stieß: Dieses Konzert tut keinem weh, überfordert nicht ein einziges Mal Verstand oder Ohr und außerdem kommt es einem direkt irgendwie bekannt vor: Schaut da nicht ein wenig Edward Elgar aus den Zeilen, lugt da nicht Ralph Vaughan Williams um die Ecke; etwas Edvard Grieg mag man auch noch erkennen. Nicht etwa, dass Lord irgendwo direkt abgeschrieben hätte, so weit ging er nun wirklich nicht, aber er bediente sich an den bekannten und erprobten Gesten und Mustern. Die leeren Quinten ganz zu Beginn läuten hier den Sonnenaufgang auf und allmählich schält sich das Thema heraus, wandert von den Bläsern zur Solo-Violine und zurück: Alles schon mal gehört! Allein die handwerklich solide Instrumentierung rettet Lords Konzert vor der Langeweile. Doch den Mangel an Originalität kann auch das handwerklich noch so Geschickte auf die Dauer nicht verbergen. Sechs Teile/Sätze sind lang (Aufführungsdauer 57 Minuten), und immer wieder stößt man auf altbekannte Muster. Plakativ schildert Lord sein Durham, zu dick gezeichnet, um restlos zu überzeugen. Viel zu burlesk geht es dann im fünften Zeil zu: „Rags and Galas“ soll das Aufeinandertreffen studentischen Ulks mit der Kultur der Bergarbeiter illustrieren, also quasi die beiden Lebensadern der Stadt zwischen Kathedrale und Universität auf der einen und dem Kohleabbau auf der anderen Seite. Aber wenn das zum Überdruss strapazierte Gaudeamus igitur für studentischen Unsinn herhalten muss, und wenn vermeintlich Volkstümliches die Bergarbeiterwelt auferstehen lassen soll, dann muss man nicht lange auf die unfreiwillige Komik warten. Als Konzertstück kann das Durham-Konzert außerhalb einer Jubiläumsfeier nicht überzeugen; der Zwang, für jeden etwas mit im Gepäck zu haben, überfrachtet das Werk und führt am Ende zu willkürlich zusammengewürfelten Klangerlebnissen. Auch der Rückgriff auf ungewöhnliche Instrumente wie Hammondorgel und Northumbrien pipes helfen da wenig. Lords Konzert ist zu grell und folgt den Mustern, die man aus der Filmmusik zu genüge kennt. Doch die Filmmusik hat wenigstens einen Film, also Bilder, die konkret vor Augen stehen: Die Kraft zum Schaffen von eigenen Bildern fehlt diesem Durham-Konzert aber gänzlich.

Markus Roschinski