Werke von Schumann, Ludwig, Poulenc und Haas

Duos for Oboe and Piano

Katherine Needleman (Oboe), Jennifer Lim (Klavier)

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Genuin GEN 16407
erschienen in: das Orchester 09/2016 , Seite 74

Robert Schumanns Drei Romanzen op. 94 scheinen für Oboisten so etwas wie ein Dreh- und Angelpunkt zu sein. Während das eine oder andere Duo barocke Musik einspielt und dessen Lieder ohne Worte als Schlussstein betrachtet, sind diese oboistischen Standardstücke – einst als Weihnachtsgeschenk für seine Clara komponiert – für das Duo Katherine Needleman und Jennifer Lim nun Einfallstor für mo­derne Klänge des 20. Jahrhunderts. Dabei sind diese romantischen Juwelen gefühlvoll und im Tempo tatsächlich relativ langsam interpretiert, obgleich sie die langen Melodiebögen beinahe zum Reißen dehnen.
Nicht gerade stressabbauende Entspannungsmusik nach einem langen Tag ist das Stück mit dem antiken Titel Pleiades: Seven Microludes für Oboe und Klavier des 1972 geborenen, amerikanischen Tonkünstlers David Ludwig. Inspiriert von den sieben Plejaden aus der griechischen Mythologie – Töchter des Titans Atlas und der Seegöttin Pleione, die Zeus in Sterne verwandelte – hat David jede der sieben Schwestern mit individuellen Eigenschaften versehen, die sich in den eine bis viereinhalb Minuten langen Miniaturen finden sollen: Angefangen von der dunklen Calaeno über Taygete mit ihrem langgestreckten Gänsehals und der glänzenden Elektra bis zu Halcyone, einer Königin, die den Teufelssturm abwehrt. Im zufälligen Zusammenhang mit ihr steht der Hurrikan Katrina, der 2005 über New Orleans tobte und den letzten Satz beeinflusste. Am Ende stehe, so der Kom­ponist im Booklet, „Hoffnung auf Wiedergeburt und Erneuerung, vielleicht auch die Bitte um Vergebung“. Gedanken an die Sechs Metamorphosen nach Ovid für Oboe von Benjamin Britten stehen hier zwar im Raum, aber außer dem antiken Hintergrund und einer individuellen Umsetzung der Charaktere haben sie indes wenig gemein.
Mit dem letzten schöpferischen Lebensatem hauchte Francis Poulenc kurz vor seinem Tod seine Sonate für Oboe und Klavier aus, die er zum Gedenken an Sergej Prokofjew komponiert hatte. Die Musik fügt sich mit ihrer zum Teil bitteren Melancholie insbesondere im Kopfsatz sowie mit der klagenden und nach Erbarmen suchende Déploration am Ende bestens in den Kontext dieser CD mit ihren expressiven und aufwühlenden Werken ein.
Keine seligmachenden Klänge auch im letzten Stück, der Suite für Oboe und Klavier op. 17 des jüdisch-tsche­chischen Komponisten Pavel Haas, der im Oktober 1944 in Au­schwitz ermordet wurde. Entstanden 1939 kurz nach Besetzung der Tschechoslowakei, soll die Suite ursprünglich für Tenor und Orchester geschrieben worden sein. Der Text war angeblich so aufrührerisch, dass Haas das Werk zerstörte, um sich selbst zu schützen, und statt dessen die „wortlose“ Oboe verwendete. Dennoch kommt viel Aufrührerisches, Zerstörerisches und Zorniges durch die beiden Rohrblätter an das Ohr des Hörers, das Klavier zertrümmert die Melodiebögen oft brutal und vehement. Unter die Haut gehende Klänge also, die in Richtung Paul Hindemith gehen und die Needleman und ihre Partnerin Lim in ihrer Erbarmungslosigkeit bestens umsetzen.
Werner Bodendorff

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