Rainer Lischka

Dulcinea

für Klavier, Violine, Viola und ­Violoncello

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Edition Walhall
erschienen in: das Orchester 01/2023 , Seite 66

Dulcinea – eine Fantasie für Violoncello und Klavier – entführt Interpret:innen und Hörer:innen in eine musikalische Traumwelt voller Emotionen und Stimmungswechsel. Ihre thematische Konzeption beschreibt Rainer Lischka (*1942) folgendermaßen: „Der Titel Dulcinea hat zu der literarischen Figur einen nur losen Bezug: So wie sich Don Quijote in dem berühmten Roman von Cervantes seine Herzensdame als Dulcinea von Toboso nur erträumt, so sollen hier, auf musikalische Weise, die möglichen Sehnsüchte und Tagträume von Dulcinea erwogen werden. Sie ist ja ein Bauernmädchen und hat vielleicht einen freudlosen, grauen Alltag, fühlt sich überdies durch die seltsam blumigen Komplimente des edlen Ritters verspottet, sehnt sich vielmehr nach einer realen, nicht platonischen Liebe. So mag sie sich zuweilen in Träumereien und Illusionen flüchten, die aber immer wieder in sich zusammenfallen.“
Lischka fängt die Wünsche und Sehnsüchte der Dulcinea klanglich ein, indem er Motive aus zwei folkloristischen Liedern miteinander verflicht. Das Violoncello eignet sich mit seiner kantablen Expressivität sehr, um dem Liebesschmerz Ausdruck zu verleihen, der sich im katalanischen Volkslied Lo mal de l’amor widerspiegelt. Diesen wehmütigen Klagen stellt der Komponist Anklänge des fröhlichen Lieds Límpiate con mi pañuelo gegenüber, welches aus Kastilien stammt. Es symbolisiert „erträumte Lebensfreude“.
Häufige Wechsel von Tempo und Metrum, agogische Momente sowie variierende musikalische Charaktere und Klangfarben – beispielsweise durch den Einsatz sphärischer Flageolett-Passagen – treiben die siebenminütige Komposition voran. Unterstützt wird dies durch zahlreiche Spielanweisungen und Tempoangaben. Dabei drücken Doppelgriffe des Violoncellos, wilde Triolen des Klaviers und perkussive Einschübe (durch „Schlagen“ in die Hände bzw. auf den Cellokorpus) Leidenschaft aus. Tänzerische, schwungvolle Passagen mimen Leichtigkeit, während rhythmisch prägnante und klar artikulierte Passagen Entschlossenheit symbolisieren. Zögern äußert sich durch musikalisches Innehalten, etwa in Form von solistischen, getragenen Überleitungen des Violoncellos, mit Pausen zersetzt. Dulcinea verklingt schließlich im dreifachen Piano ebenso geheimnisvoll, wie es begonnen hat: mit sanften Klavierarpeggien ergänzt durch Flageoletttöne des Violoncellos über das Ende des Griffbretts hinaus.
Wer neugierig auf die Komposition aus dem Jahr 2012 geworden ist, findet auf YouTube eine überzeugende Interpretation der beiden Widmungsträger – Benjamin Stiehl (Cello) und Manami Ishitani-Stiehl (Klavier).
Anna Catharina Nimczik