Spohr, Louis

Duetto

Nachklänge einer Reise nach Dresden und in die Sächsische Schweiz op. 96 für Pianoforte und Violine, Urtext, Partitur und Stimme

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Dohr, Köln 2016
erschienen in: das Orchester 01/2017 , Seite 62

Es kommen einem doch immer wieder bislang entgangene Köstlich­keiten unter. Was bringt man von Reisen mit? Genau, Souvenirs. Bei Louis Spohrs Duetto Nachklänge einer Reise nach Dresden und in die Sächsische Schweiz op. 96 handelt es sich um eine ausgewachsene viersätzige Sonate. Eigentlich bringt er sie gar nicht mit von der Reise, die er im Sommer 1836 zusammen mit seiner Frau Marianne unternimmt. Vielmehr ist der erste Satz „Reiselust“ bereits vor der Abfahrt fertig, die Sätze 2 bis 4 – „Reise“, „Katholische Kirche“ und „Sächsische Schweiz“ – vollendet Spohr nach der Rückkehr im August zuhause.
In seiner Autobiografie merkt er an: „Im ersten Satze suchte ich die Reiselust zu schildern, im zweiten die Reise selbst, indem ich die in Sachsen […] gebräuchlichen Horn­fanfaren der Postillone in das Scher­zo als dominirendes, von der Geige auf der G-Saite hornmäßig gespieltes Hauptthema mit auffallenden Modulationen des Fortepiano verarbeitete und dann im Trio eine Schwärmerei schilderte, wie man sich ihr so gern unbewußt im Wagen brütend überläßt. Das folgende Adagio gibt eine Scene aus der Katholischen Hofkirche in Dresden, welche mit einem Orgelpräludium auf dem Pianoforte allein beginnt; darauf spielt die Geige die Intonation des Priesters vor dem Altare, woran sich das Responsorium der Chorknaben genau in denselben Tönen und Modulationen, wie man sie in katholischen Kirchen und auch in der Dresdener hört, anschließt. Diesem folgt eine Castraten-Arie, wobei es die Aufgabe des Geigers ist, sie ganz im Stile des dortigen Gesanges zu kopiren. Der letzte Satz schildert in einem Rondo die Reise durch die sächsische Schweiz, indem sie theils an die erhabenen Naturschönheiten, theils an die fröhliche, böhmische Musik, die man fast aus jeder Felspartie hervorschallen hört, zu erinnern sucht.“
Alles in allem handelt es sich um ein sehr munteres, hübsches Stück voller kleiner Preziosen: bildhaft dargestellt die unruhige Vorfreude auf die bevorstehende Reise im ersten Satz, bodenständig, ja geradezu urig die Fanfaren der Posthörner im zweiten, pompös die Orgelimitation im dritten, der Spohr recht melancholische Klänge der Chorknaben (in f-Moll!) folgen lässt, genüsslich in seiner an Spitzwegs Bilder erinnernden Biedermeier-Eleganz das abschließende Rondo mit seinem Polka-Hauptthema.
Wie bei Spohr nicht anders zu erwarten, ist das Werk nicht ohne virtuosen Anspruch. Der Geiger sollte über ein gut funktionierendes Staccato ebenso verfügen wie über eine solide Doppelgrifftechnik. Auch den Klavierpart stattete Spohr mit einigen Kniffligkeiten aus, kein Wunder! Schließlich schrieb er ihn für eine etablierte virtuose Pianistin, nämlich seine Frau.
Dem Dohr-Verlag kann man nicht genug danken, dass er uns die Werke des immer noch unterschätzten Komponisten in hochwertigen Ausgaben – diese enthält neben dem sorgfältig edierten Notentext ein ungemein informatives Vorwort von Uta Pape sowie einen sehr detaillierten Kritischen Bericht – wieder zugänglich macht.
Herwig Zack