Reiber, Joachim

Duett zu dritt

Komponisten im Beziehungsdreieck

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Kremayr & Scheriau, Wien 2014
erschienen in: das Orchester 03/2015 , Seite 65

Es wundert nicht wirklich, dass sich in dem Buch kein Vor- oder Nachwort findet, in dem Gedanken zu der Frage geäußert hätten werden müssen, wozu das Ganze verfasst wurde. Wer einen Bezug zur Musik der Komponisten sucht, wird nicht fündig, eher sind die Ausführungen literarischer, psychologisierender Natur. Gut, dass beim Hören von Haydns Musik niemand daran denkt, dass dieser an seine Geliebte schrieb, wie erleichtert er über den Tod von deren Gatten sei und dass sich möglicherweise auch die Augen seiner Ehefrau schließen würden, sodass die Zeit herbeikommen könne, nach der sie beide sich schon lange sehnten.
Gut, dass sich Janáceks Kompositionen auch ohne Kenntnis seines Liebeslebens erschließen – wenn auch tatsächlich im Fall der Intimen Briefe möglicherweise nicht vollständig. Auch zu Janácek recherchierte Reiber umfassend, arbeitete sich durch viele schwülstige Liebesbriefe hindurch und suchte aussagekräftige, zitierfähige Textstellen. Seine eigenen Deutungen wie der Vergleich mit Zeus, Hera und Semele sind durchaus faszinierend, wenn auch nicht durchgehend überzeugend, was darin liegt, dass der Bezug zu Janácek, seiner Frau und seiner Geliebten teilweise sehr bemüht hergestellt wird.
Joachim Reiber leistet sehr detailgetreue, kenntnisreiche Recherche zu allen Komponisten und ihren Beziehungsdreiecken, doch ein Zitat von Clara Schumann wie: „Dass ich deine Musik ganz in mich aufnehme, ganz erfasse!“ als erotische Anspielung und Johannes Brahms in diesem Zusammenhang als ihren Wonnespender zu bezeichnen, muss nicht unbedingt nachvollzogen werden. Gewöhnungsbedürftig ist auch, dass der Autor so aktuelles Vokabular wie beispielsweise „Beziehungsmanagement“ in lang verjährte Zusammenhänge wie das Eheleben Joseph Hadyns bringt. Der Autor sinniert auch über „Umwegrentabilität via Befriedigung des Kapellmeisters“ als Erklärung dafür, warum das Ehepaar Polzelli in Esterháza bleiben durfte, und kreiert originelle Wortschöpfungen wie „Potenzpotentatentum“.
Ist es für uns 2015 wichtig, wen und wie die Komponisten geliebt haben oder nicht? Interessiert es wirklich, wie sehr sich Felix Mendelssohn Bartholdy zu seiner Frau Cécile und zur Sängerin Jenny Lind hingezogen fühlte? Es mag ja stimmen, dass Wagners Tristan und Isolde ohne das Beziehungsdreieck möglicherweise nicht entstanden wäre, aber welche Rolle spielt das für Hörende heute? Keine! Doch wen die detektivische Detailarbeit zu den biografischen Puzzleteilen der Liebesgeschichten von Leoš Janácek, Ludwig van Beethoven, Joseph Hadyn, Felix Mendelssohn Bartholdy, Richard Wagner, Clara und Robert Schumann, Johannes Brahms und Gustav Mahler interessiert, möge das Duett zu dritt des Germanisten Joachim Reiber gerne lesen.
Viola Karl