Kapustin, Nikolai

Duet

für Altsaxophon und Violoncello op. 99, Partitur und Stimme

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Schott, Mainz 2015
erschienen in: das Orchester 02/2016 , Seite 69

Der Komponist und Pianist Nikolai Kapustin dürfte bislang den meisten verhältnismäßig unbekannt sein. Er studierte bis Anfang der 1960er Jahre am Moskauer Konservatorium bei Awrelian Rubach und Alexander Goldenweiser und wirkte insbesondere als Jazz-Pianist, Arrangeur und Komponist. International bekannt wurde er im Jahr 2000 mit einer Einspielung seiner Klavierwerke durch Steven Osborne, die mit dem Preis der Deutschen Schallplattenkritik ausgezeichnet wurde.
Stilistisch komponiert Kapustin konzertanten Jazz. Er greift dabei aber nicht nur typische Jazz-Idiome auf, sondern nutzt auch klassische Form- und Kompositionsprinzipien. Dafür ist auch das Duo für Violoncello und Altsaxofon op. 99 ein gutes Beispiel. Barocke Prinzipien, impressionistische wie expressionistische Anleihen werden mit prägender Jazz-Rhythmik und Jazz-Skalen kombiniert.
Das dreisätzige Werk beginnt mit einem schnellen Satz. Über einer rhythmischen Figur im Cello spielt das Saxofon ein Motiv in einer erweiterten C-Blues-Skala, das im Folgenden in Originalgestalt, in Variationen und mit Umspielungen als eine Art Kernthema fungiert. Das Cello begleitet kontrapunktisch und besitzt eigene rhythmisch prägnante Motive, Basslinien und Patterns, spielt aber zumindest im ersten Satz melodisch eine eher untergeordnete Rolle.
Der zweite, langsame Satz gehört klanglich in eine andere Welt. Er erinnert an expressionistische bzw. neoklassizistische Kompositionen der 1940er Jahre. Trotz des sehr langsamen Tempos ist der Satz weniger getragen als bewegt figurativ. Ein Thema, das sich motivisch an das Kernmotiv des ersten Satzes anlehnt, wird zunächst im Cello vorgetragen, dann vom Altsaxofon aufgegriffen und folgend in vielen Varianten und solistischen Passagen kontrapunktisch verarbeitet. Nur zeitweise blitzen Jazz-Farben auf. Kapustin nutzt dabei eine erweiterte Harmonik mit tonalen Zentren und polyharmonischen Passagen.
Der dritte Satz ist wieder stärker rhythmisiert. Die pochende Begleitung im Cello hat zuweilen fast etwas Rockiges, wechselt aber schnell wieder in eine Art Walkingbass und rhythmische Begleitpatterns. Wie schon in den anderen beiden Sätzen findet sich ein Thema, das fast klassisch motivisch verarbeitet und entwickelt wird. Weitere melodische Ideen werden zu Nebenthemen weitergesponnen und im Laufe des Stücks immer wieder aufgegriffen. Dabei hat die Melodik einen eher improvisatorischen Charakter und dies, obwohl der Satz streng durchgearbeitet ist.
Das Stück macht Spaß, ist ausgesprochen erfrischend und liegt gut in der Hand. Es ist technisch nicht besonders anspruchsvoll, nutzt auf dem Saxofon überwiegend die sonore Mittellage, gut funktionierende Tonverbindungen und verwendet an keiner Stelle neue Spieltechniken. Gerade in einem Programm mit anderen Stücken aus dem Bereich des konzertanten Jazz ist das Duett ein kleines Juwel.
Martin Losert