Dmitri Schostakowitsch, Krzysztof Meyer

DSCH & beyond

Streichquartette Nr. 3 & 8/Au-delà d’une absence op. 89 – Eliot Quartett

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: Genuin
erschienen in: das Orchester 7-8/2025 , Seite 79

Für die Streichquartette von Dmitri Schostakowitsch reicht es nicht, die Extreme auszuschöpfen. Man muss auch die Nuancen subtil gestalten und einen ganz introvertierten Klang erzielen können. Das Frankfurter Eliot Quartett kann das alles. Das russisch-kanadisch-deutsche Ensemble, das zum 50. Todestag des Komponisten alle fünfzehn Quartette beim Carinthischen Sommer in der Steiermark, beim italienischen Mitofestival sowie in Hamilton (Kanada) als Zyklus spielt, lässt auf seinem Album DSCH & beyond Schostakowitschs drittes Streichquartett in F-Dur im Kopfsatz atmen. Schon im zweiten Satz wird der Ton von Primaria Maryana Osipova dringlicher. Die getupften, süßlichen Staccato-Achtel sind perfekt zusammen. Das Scherzo entwickelt sich zu einem von brutalen Akkordschlägen vorangetriebenen, sarkastischen Galopp.
Noch radikaler agiert das Ensemble dann im achten Streichquartett in c-Moll, wenn es das Allegro molto als einzige Panikattacke musiziert: atemlos, kratzbürstig, unerbittlich. Das Ich – ausgedrückt im auf Schostakowitschs Initialen beruhenden Motiv D Es C H – kämpft hier ums Überleben. Aber das Eliot Quartett erzählt in den beiden Largos auch mit fahlen Farben und sparsamem Vibrato von beklemmender Einsamkeit. Das 1960 geschriebene, den Opfern des Faschismus und des Krieges gewidmete Werk klingt in der Interpretation des Eliot Quartetts in jedem Takt existenziell. Nur manche leisen Liegetöne wie ganz am Ende zittern im langsamen Bogenstrich.
DSCH & beyond heißt das Album. Deshalb wurde noch das dreisätzige, 1998 vom Quatuor Danel uraufgeführte Quartett op. 89 Au-delà d’une absence von Schostakowitsch-Biograf Krzysztof Meyer eingespielt, der darin Motive, die er vom Komponisten bei seinem letzten Besuch im Jahr 1974 vorgestellt bekam, verarbeitet. Meyer schrieb es stilistisch bewusst in Anlehnung an Schostakowitsch – sozusagen als dessen 16. Streichquartett, das der befreundete Komponist wegen seines Todes am 9. August 1975 nicht mehr realisieren konnte. Während das Allegro molto noch etwas buchstabiert und harmonisch zu konventionell klingt, berührt besonders das Andantino mit seinem an Schostakowitsch angelehnten Klagegestus. Mit blitzsauberer Intonation musiziert das Eliot Quartett die heiklen, über mehrere Oktaven gespreizten Unisoni – und zeigt hier gerade auch im Leisen seine Klasse. Neben der ausdrucksstarken Primaria Maryana Osipova setzen beim Eliot Quartett auch Alexander Sachs (Violine 2), Dmitry Hahalin (Viola) und Michael Preuß (Violoncello) immer wieder solistische Akzente, um sich danach wieder in den dichten, genau ausbalancierten Ensembleklang einzufinden.
Georg Rudiger

 

 

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