Roland Dippel

Dresden: „Ring“-Revival

Die Dresdner Philharmonie mit Marek Janowski im Kulturpalast

Rubrik: Bericht
erschienen in: das Orchester 01/2023 , Seite 52

Marek Janowskis Einspielung des Puccini-Einakters ll tabarro mit der Dresdner Philharmonie geriet zu einem impressionistisch gelichteten Glanzstück und legte die lyrisch koloristischen Ebenen der oft auf veristische Eruptionen reduzierten Partitur frei. Eine solche Sicht ließ für den Ring des Nibelungen des Wagner-Experten Marek Janows­ki mit einem der wagner-unkundigsten Orchester Sachsens Herausragendes erwarten. Wegen der Pan­demie wurde das konzertante Groß- und Wunschprojekt des 1939 geborenen Chefdirigenten der Dresdner Philharmonie von 2020 auf 2022 verschoben. Demzufolge trat der konzertante Zyklus in Konkurrenz zu Neuproduktionen der Berliner Staatsoper Unter den Linden, des Opernhauses Zürich und der „Ausweitung des Ringgebiets“ am Staatstheater Braunschweig.
Das umfangreiche Ring-Spektrum von Janows­­ki, der zum Beispiel 2016 von Kirill Petrenko das Dirigat von Frank Castorfs Inszenierung bei den Bayreuther Festspielen übernommen hatte, ist diskografisch gut dokumentiert. Mit der Sächsischen Staatskapelle hatte er Wagners Vierteiler bereits 1983 in Dresden aufgenommen, 2012 folgte mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin ein Mitschnitt in der Berliner Philharmonie.
Die Kompetenzen der Dresdner Philharmonie für das spätromantische und zeitgenössische Repertoire sind groß. Aber in Bezug auf den Ring unterschied sich Janowskis Haltung kaum von seiner ersten Einspielung 1983. Dabei ermöglicht die ausgezeichnete Akustik des Kulturpalasts differenzierte Raumwirkungen. Wenn vor allem in Götterdämmerung die dramatische Intensität zunahm, lag das weniger an dem durch souveräne Partitur-Kenntnis imponierenden Janowski als an Catherine Foster, die als Brünnhilde in idealer stimmlicher Verfassung die letzten fünf Ring-Stunden befeuerte. Bereits bei Janowskis Berliner Ring 2012 waren Jochen Schmeckenbecher (Alberich) und Marina Prudenskaya (Waltraute) als Episoden-Stars dabei. Packend gerieten in Dresden die Leistungen des als Wanderer prächtigen Egils Silins sowie des für Markus Eiche eingesprungenen Michael Kupfer-Radecky mit Regine Hangler als Gibichungen-Geschwister. Die kleineren Partien waren gut bis herausragend besetzt. Christina Landshamer gab einen üppig-lyrischen Waldvogel.
Weil nicht angemessen gefordert, vermochten sich in Siegfried die langen Zentralpartien – Vincent Wolfsteiner als Siegfried mit hervorragender Kondition, Jörg Schneider als Mime etwas unverbindlich – nicht so stark zu profilieren wie erwartet. Unerwartete originäre Akzente gab es – etwa von Rúni Brattaberg, der Hagen mit individuellen, sich einprägenden Charakter-Farben ausstattete. Schon zu Janowskis erstem Dresdner Ring von 1983 hatte die Kritik die für Sän­ge­r:in­nen idealen Voraussetzungen gewürdigt. Hinter den auch jetzt glänzenden Vokalleistungen agierte die Dresdner Philharmonie nicht ganz mit der ihr möglichen symphonischen Anschmiegsamkeit. Der konzertante Dresdner Ring glänzte vor allem durch kluge Besetzungen, von denen Persönlichkeiten wie Christa Mayer auch in der Semperoper-Wiederaufnahme unter Christian Thiele­mann 2023 zu hören sein werden. Glanzvoll agierte in der Götter­dämmerung der MDR Rundfunkchor mit Verstärkung aus der Oper Leipzig unter dem bayreuth-erfahrenen Eberhard Friedrich.
Groß war die Enttäuschung über das schleppende Publikumsinteresse. An den ersten Abenden blieb über ein Drittel der Plätze leer, die Götterdämmerung war nach einer Aktion mit Karten zum Preis von 25 Euro fast ausverkauft.