Jens Daniel Schubert
DRESDEN: Heutiges Musiktheater, Tanz und bewegende Performance
In der Dresdner Staatsoperette kombiniert man Stepptanz und Ballettoper, eigenes Ensemble und freie Company, Weill und eine Uraufführung
Die sieben Todsünden von Bertolt Brecht und Kurt Weill sind ein Klassiker, dennoch sieht man das „satirische Ballett mit Gesang“ nur selten auf der Bühne. Die Staatsoperette Dresden mit dem Musical-Spezialisten Jörn-Felix Alt am Regiepult sowie Sophie Berner und Jasmin Eberl in den Rollen von Anna I und II hat es jetzt tatsächlich szenisch realisiert. Die beiden faszinierenden Protagonistinnen eilen durch eine abstrakte, dabei deutlich heutige Welt. Angetrieben werden sie durch die Familie (Marcus Günzel, Riccardo Romeo, Gero Wendorff und Gerd Wiemer). Das Männerquartett in skurrilen, vom jeweiligen musikalischen Stil inspirierten Kostümen (Vanessa Rust) ist fast ständig präsent. Großartig in Gesang und Tanz versuchen die beiden Annas, sich in die Welt einzufügen. Diese wird sowohl durch das Ballettensemble der Staatsoperette als auch durch einen sich permanent bewegenden, verändernden Gerüstbau (Bühnenbildentwurf von Alexandre Corazzola) verkörpert: ein Klettergerüst und Gefängnis, eine überdimensionale Maschine. Die realen Vorgänge, die konkreten „Todsünden“ geraten in den Hintergrund. Im Vordergrund steht der Versuch der jungen Frauen, sich in diesem Strudel zu behaupten und in einem System von Nutzen und Ausnutzen den Kopf oben zu behalten. Am Schluss, eingefügt in das kleinbürgerlich enge Familienbild, ist man fast froh, dass sie einen eigenen Platz haben.
Lesen Sie weiter in Ausgabe 10/2024.