Jacques Rensburg

Drei Stücke op. 2

für Violoncello und Klavier

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: Ponticello Edition
erschienen in: das Orchester 6/2022 , Seite 69

Ein undatiertes Foto zeigt ihn stachellos: Jacques Rensburg (1846-1910) hat – wie viele Kollegen seiner Generation – das Cellospiel noch auf die alte Art erlernt. Zwar setzte sich die bequeme Stütze ab der Mitte des 19. Jahrhunderts immer mehr durch und große Teile der später entstandenen Virtuosenliteratur wären in althergebrachter Kniegeigen-Haltung unausführbar. Rensburg indes gehörte nicht zu jenen Cellisten, die in Post-Paganini-Manier die Grenzen ihres Instruments mittels halsbrecherischer Etüden oder Virtuosenstücke zu erweitern trachteten. Sein musikalisches Leben verlief ruhiger: In Rotterdam geboren, übersiedelte er 1867 nach Köln, wurde Mitglied des Gürzenich-Orchesters, musizierte im Streichquartett und unterrichtete an der Rheinischen Musikschule. Nach einer gesundheitlichen Krise kehrte er 1874 zurück in seine Geburtsstadt und arbeitete dort im elterlichen Bankmetier.
1880 wurde er Teilhaber einer in Bonn ansässigen Firma. Erneut zog er ins Rheinland und führte fortan an der gutbürgerlichen Poppelsdorfer Allee ein offenes Haus, in dem Größen wie Johannes Brahms und Joseph Joachim zu Gast waren. Hier nahm Rensburg auch seine Konzerttätigkeit als Kammermusiker wieder auf. Er begründete die „Populären Kammermusik-Soiréen“ und gehörte zu den Förderern des Bonner Beethoven-Hauses, das 1893 als Gedenkstätte eingeweiht wurde – unter anderem durch das illustre Trio Carl Reinecke, Joseph Joachim und Jacques Rensburg.
Nur wenige Kompositionen Rensburgs sind bekannt, darunter die 1889/90 erstmals erschienenen und hier neu aufgelegten Drei Stücke
op. 2. Rensburgs Urenkelin ist zu danken, dass die stets um originelle Repertoire-Bereicherungen bemühte Edition Ponticello die charmanten Petitessen – ihre Titel lauten „Junge Liebe“, „Bangen“ und „Beruhigung“ – ins Programm genommen hat. Eine konservative („stachellose“) Grundhaltung eignet den Stücken unüberhörbar: In Nach-Wagnerischer Zeit komponierte Rensburg im Stil Mendelssohn Bartholdys, das Hauptthema von „Bangen“ mutet an wie ein Beinahe-Zitat aus Mendelssohns Lied ohne Worte
op. 109.
Alle drei Stücke werden getragen von ungetrübter Cello-Herrlichkeit. Die im Duktus von Liedbegleitungen gehaltenen Klavierparts trachten danach, des Cellos kantable Linien bestmöglich zu stützen – ein legitimes Ziel angesichts mancher Cellostücke des
19. Jahrhunderts, die am „dicken“ Klaviersatz leiden! Den einen oder anderen Ausbruch aus dem strengen Korsett akkordischer oder arpeggierender Accompagnements hätte der Komponist dem Klavier indes gönnen dürfen. Die technischen Anforderungen der drei Stücke vermitteln einen Eindruck vom Level gehobenen Liebhabermusizierens im bürgerlichen Salon. Keine virtuosen Eskapaden „stören“ die Reise auf den Flügeln des Gesangs.
Romantik, indes aus klassizistischer Grundhaltung. Von jener Doppelbödigkeit, die uns in romantischer Musik häufig gefangen nimmt, sind wir weit entfernt. Weder Schumann’sche Ironie noch Wagner’sche Dämonie gefährden diese freundliche Welt.
Gerhard Anders