Konrad Koselleck/ Christoph Israel/ Benedikt Eichhorn/ Thomas Pigor

Drei Männer im Schnee

Revueoperette. Staatstheater am Gärtnerplatz, Ltg. Andreas Kowalewitz/ Andreas Partilla

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Con anima
erschienen in: das Orchester 03/2021 , Seite 77

Thomas Pigor, in Personalunion Kabarettist, Operettenkönner und kreativer Drahtzieher in Mission des Münchner Gärtnerplatztheaters, bekräftigt, dass ihm Untertitel wie Operette, Musical und Jazz oper gleich­gültig sind. So machte er sich zum textenden und dramaturgischen Teamleiter der drei anderen fürs Musikalische zuständigen Männer: Konrad Koselleck verantwortete eher Jazziges und das Gesamtarrangement, Christoph Israel eher „Klassisches“ und Benedikt Eich­horn, Pigors spezieller Vertrauter für gemeinsame Kabarett-Program­me, das Pikante. Josef E. Köpplin­gers Intendanten-Traum vom triumphal einschlagenden Auftrags­werk erfüllte sich mit Drei Männer im Schnee passend zur Jahreszeit am 31. Januar 2019.
Sicher hatte die Quelle Gewicht bei dieser Glückskonstellation: Erich Kästners Roman von 1934 spiegelt Dünkel und Luxus seiner Entstehungszeit, der Film von 1955 unter Drehbuchbeteiligung des Au­tors den Geist der Nierentischjahre. Bei korrekter Behandlung ist Drei Männer im Schnee ein Selbstläufer. Auch das Selbstbewusstsein, mit dem das Gärtnerplatztheater bei „Chronos Theatertexte“ ein Song­book im Produktdesign publizierte, ist vollauf berechtigt – nicht nur wegen des auf der Bühne wie auf CD wunderbaren Titel-Trios mit Erwin Windegger als Fabrikbesitzer Eduard Tobler, Alexander Franzen als sein Kammerdiener Johann Kes­selhuth und Armin Kahl als Fritz Hagedorn, Industrieboss der nächsten Generation.
Diese Revueoperette machte sich frei von Schablonen, in denen tanzende Beine Zeitgeist und Kolo­rit zertrampeln. Das Sujet vom Su­perreichen, der sich inkognito im Grandhotel Bruckbeuren einquar­tiert, verpflichtet. Andreas Kowale­witz und in den Nachdirigaten Andreas Patilla verständigten sich mit dem Orchester, dem Chor und dem hervorragenden Ton-Team auf einen breiten und dabei glasklar distan­zierenden Klang. Mondänes, alpine Schlagerfolklore und ausgenüchter­te Amerikanismen à la Kurt Weill kommen nie in nostalgischen Flow.
Im weißen Rössl, Dreigroschen­oper und Ball im Savoy sind die durch raffinierte Verfeinerungen kenntlich gemachten Ausgangspositionen, aber keine Zielpunkte. Drei Männer im Schnee ist eher eine funktionale Edelyacht, auf der Champagnerkorken nur bei richti­gen Anlässen knallen, als ein Mas­sendampfer, auf dem sich Völlege­fühl schon zum Frühstück einstellt. Selbstverständlich haben weibliche Stereotypen aus dem vorigen Jahr­hundert keinen Platz. Julia Sturzlbaum, Sigrid Hauser und Dagmar Hellberg sind in ihren Rollen alles andere als Bienchen und Brummer, die nur ran an den Mann wollen. Dazu passt, dass man den Tiroler Skilehrer Toni (Peter Neustifter) statt auf die Piste ins queere Ge­tümmel am Berliner Nollendorf­platz schickt.
Das Schönste an dieser Neu­schöpfung ist, dass sie nicht in die Vergangenheit abrutscht, sondern durch Kenntnis aller Genre-Klip­pen eine schöne Theater-Besche­rung wurde.
Roland Dippel