Konrad Koselleck/ Christoph Israel/ Benedikt Eichhorn/ Thomas Pigor
Drei Männer im Schnee
Revueoperette. Staatstheater am Gärtnerplatz, Ltg. Andreas Kowalewitz/ Andreas Partilla
Thomas Pigor, in Personalunion Kabarettist, Operettenkönner und kreativer Drahtzieher in Mission des Münchner Gärtnerplatztheaters, bekräftigt, dass ihm Untertitel wie Operette, Musical und Jazz oper gleichgültig sind. So machte er sich zum textenden und dramaturgischen Teamleiter der drei anderen fürs Musikalische zuständigen Männer: Konrad Koselleck verantwortete eher Jazziges und das Gesamtarrangement, Christoph Israel eher „Klassisches“ und Benedikt Eichhorn, Pigors spezieller Vertrauter für gemeinsame Kabarett-Programme, das Pikante. Josef E. Köpplingers Intendanten-Traum vom triumphal einschlagenden Auftragswerk erfüllte sich mit Drei Männer im Schnee passend zur Jahreszeit am 31. Januar 2019.
Sicher hatte die Quelle Gewicht bei dieser Glückskonstellation: Erich Kästners Roman von 1934 spiegelt Dünkel und Luxus seiner Entstehungszeit, der Film von 1955 unter Drehbuchbeteiligung des Autors den Geist der Nierentischjahre. Bei korrekter Behandlung ist Drei Männer im Schnee ein Selbstläufer. Auch das Selbstbewusstsein, mit dem das Gärtnerplatztheater bei „Chronos Theatertexte“ ein Songbook im Produktdesign publizierte, ist vollauf berechtigt – nicht nur wegen des auf der Bühne wie auf CD wunderbaren Titel-Trios mit Erwin Windegger als Fabrikbesitzer Eduard Tobler, Alexander Franzen als sein Kammerdiener Johann Kesselhuth und Armin Kahl als Fritz Hagedorn, Industrieboss der nächsten Generation.
Diese Revueoperette machte sich frei von Schablonen, in denen tanzende Beine Zeitgeist und Kolorit zertrampeln. Das Sujet vom Superreichen, der sich inkognito im Grandhotel Bruckbeuren einquartiert, verpflichtet. Andreas Kowalewitz und in den Nachdirigaten Andreas Patilla verständigten sich mit dem Orchester, dem Chor und dem hervorragenden Ton-Team auf einen breiten und dabei glasklar distanzierenden Klang. Mondänes, alpine Schlagerfolklore und ausgenüchterte Amerikanismen à la Kurt Weill kommen nie in nostalgischen Flow.
Im weißen Rössl, Dreigroschenoper und Ball im Savoy sind die durch raffinierte Verfeinerungen kenntlich gemachten Ausgangspositionen, aber keine Zielpunkte. Drei Männer im Schnee ist eher eine funktionale Edelyacht, auf der Champagnerkorken nur bei richtigen Anlässen knallen, als ein Massendampfer, auf dem sich Völlegefühl schon zum Frühstück einstellt. Selbstverständlich haben weibliche Stereotypen aus dem vorigen Jahrhundert keinen Platz. Julia Sturzlbaum, Sigrid Hauser und Dagmar Hellberg sind in ihren Rollen alles andere als Bienchen und Brummer, die nur ran an den Mann wollen. Dazu passt, dass man den Tiroler Skilehrer Toni (Peter Neustifter) statt auf die Piste ins queere Getümmel am Berliner Nollendorfplatz schickt.
Das Schönste an dieser Neuschöpfung ist, dass sie nicht in die Vergangenheit abrutscht, sondern durch Kenntnis aller Genre-Klippen eine schöne Theater-Bescherung wurde.
Roland Dippel