Saxofonkonzerte von Friedrich Cerha, Georg Katzer und Christian Lauba
Drei Konzerte
Johannes Ernst (Saxofon), ORF Radio-Symphonieorchester Wien, MDR-Sinfonieorchester, Ltg. Michael Gielen/Peter Hirsch/Gabriel Feltz
Harmonisch raffinierte und rhythmisch komplexe Strukturen zeigen sich bei diesen drei Saxofonkonzerten in weitgefassten Klangbildern. Das Ausdrucksspektrum reicht von faszinierend wohlklingenden Passagen bis hin zu scharfen Tönen und existenziellen Klängen. Das Instrument des Jahres 2019 ist das Saxofon, zweifellos der ideale Zeitpunkt für die Veröffentlichung dieser Ersteinspielungen.
Die Komponisten Friedrich Cerha, Georg Katzer und Christian Lauba, bekannt für genreübergreifende Experimente mit neuen Klangtechniken und Spielformen, gehören zu den renommiertesten Vertretern der zeitgenössischen Musik. Das Spannungsverhältnis zwischen Solist und Tutti nutzt der Wiener Komponist Friedrich Cerha immer wieder als kreativen Impuls. Er greift biografische Erlebnisse auf und übersetzt sie in metaphorisch reiche Strukturen. Als Individuum fühlt er sich in der Gesellschaft oft als Außenseiter, was er in seinem Konzert für Sopransaxofon und Orchester bisweilen energisch, aber auch verschmitzt humoristisch vermittelt. Dieser Kontrast ist auch in anderen Werken, wie dem Stück für Posaune und Streichquartett oder dem Klarinettenkonzert, deutlich hörbar.
Georg Katzer, der letzte Meisterschüler Hanns Eislers, war einer der größten Komponisten der DDR. Er schuf mehr als 200 Titel, darunter Instrumentalmusik für die unterschiedlichsten Besetzungen, Opern, Ballette, Multimediaprojekte, Hörspielmusik und sogar Puppenspiele. Ein atheistischer Freigeist des Aufklärungszeitalters verfasste mit seinem Traktat L’homme machine den Ausgangspunkt für Katzers Serie der La Mettrie-Stücke. Die Vorstellung, Menschen als Maschinensysteme zu begreifen, ist die Idee des französischen Arztes und Philosophen Julien Offray de La Mettrie. Dem Konzert für Altsaxofon und Orchester La Mettrie III oder der Abend der Maschinen gehen die zwei Kammermusiken La Mettrie oder Anmerkungen zum Maschinen-Menschen und La Mettrie oder Anmerkung zum Pflanzen-Menschen für Bläserquintett und Klavier voran. Das große Interesse des Komponisten an mechanischen und automatisierten Prozessen kommt hier unverkennbar zum Vorschein.
„Das Saxophon ist für mich der König unter den Instrumenten!“, ist die Aussage von Christian Lauba, dessen Begeisterung bereits während der Studienzeit geweckt wurde. Die Begegnung mit dem Saxofonvirtuosen Jean-Marie Londeix regte ihn zu zahlreichen Kompositionen an, in denen er die Spieltechniken des Blasinstruments bis zu einem Maximum ausreizt. In seinem Dies irae geben Solostimme und Orchester als dramatische Einheit die düstere Endzeitstimmung des Jüngsten Gerichts wieder. Diese hochenergetische Verschränkung wird gelöst, wenn die prägnant artikulierte Melodie des Saxofons wie ein leuchtendes Fanal hervorbricht. Trotz der Entzweiung bleibt das Verhältnis zum Orchester stets ausbalanciert. Mit dem Solisten Johannes Ernst ist nicht nur ein exzellenter Interpret zu hören, vielmehr ein Musiker, der sich mit dem identifiziert, was er spielt.
Juliane E. Bally