Werke von Johannes Brahms, Giovanni Battista Viotti und Antonín Dvořák

Double Concerto op. 102/Violin Concerto No. 22/Silent Woods

Christian Tetzlaff, Tanja Tetzlaff, Deutsches Symphonie-Orchester Berlin, Ltg. Paavo Järvi

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: Ondine
erschienen in: das Orchester 04/2024 , Seite 72

Johannes Brahms komponierte 1887 sein Konzert für Violine, Violoncello und Orchester a-Moll op. 102 als tönendes Versöhnungsangebot an seinen sehr guten Freund Joseph Joachim. Der Komponist hatte nämlich beim Scheidungsprozess des Geigers dessen Frau Amalie unterstützt. Im Kopfsatz hören wir zunächst eine wütende Auseinandersetzung; die erste Kadenz des Cellos wirkt dann, als würde Brahms hier selbst um Versöhnung bitten. Im langsamen Mittelsatz singen die beiden Solisten dann schon wieder ein gemeinsames Lied, eingeleitet von zwei Hörnerrufen in aufsteigenden Quarten als Beschwörung der Natur, denn Brahms und Joachim gingen gerne gemeinsam wandern.
Diese neue CD enthält außerdem das etwa 1793-95 entstandene Konzert für Violine und Orchester Nr. 22 in der gleichen Tonart a-Moll von dem vor jetzt 200 Jahren gestorbenen Giovanni Battista Viotti (1755–1824), für das Brahms und Joachim einst beide schwärmten und auf das der Komponist in seinem Doppelkonzert mehrfach anspielt. Als sinnvolle Ergänzung folgt dann noch das kurze Charakterstück Waldesruhe für Cello und Orchester op. 68 Nr. 5 (1893) von Antonín Dvořák, einem weiteren geschätzten Kollegen und sehr guten Freund von Brahms.
Endlich wurde das Doppelkonzert von Brahms hier einmal von einem Geschwisterpaar eingespielt, meines Wissens zum ersten Mal. Christian Tetzlaff und Tanja Tetzlaff verschmelzen dabei tatsächlich wie zu einem einzigen Instrument. Im Beiheft beschreibt die Cellistin „diese herrliche Entwicklung“, wenn man ein so schwieriges Stück so oft spielt: „Über die Jahre kommt man immer mehr dahin, einfach die Geschichte zu erzählen und sich ein bisschen zu lösen von den Tönen und Vorschriften und wirklich zu überlegen, was ist das eigentlich, was wir da aussprechen oder singen oder tanzen.“ Der tiefere Sinn dieser Silberscheibe ist die Erinnerung an den früh verstorbenen Pianisten und Dirigenten Lars Vogt (1970–2022), der zusammen mit den Tetzlaffs viel Brahms und Dvořák aufgeführt hat, hier gemeinsam mit dem Dirigenten Paavo Järvi, dem vierten Mitglied in diesem Freundschaftsbund. Das Ergebnis erscheint ebenso emotional wie geradlinig, die Ausführenden übertreiben zum Glück nicht das Rubato und die verschobenen Phrasierungen. Im Rondo-Finale bei Brahms hören wir wirklich das vom Komponisten gewünschte Tempo „Vivace non troppo“.
Das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin ist durchweg mit hörbarer Freude dabei, erfreut vor allem durch feinste Holzbläser-Farben. Schade nur, dass die Waldesruhe hier etwas zu flüchtig wirkt – ab Takt 30 wird sogar die Bläserimitation des Solomotivs durch eine schnöde halbe Note ersetzt.
Ingo Hoddick