Bernd Aulich

Dortmund: Aus tiefster Teufe ans Licht

Das Theater Dortmund zeigt mit Ernest Guirauds und Camille Saint-Saëns’ Oper „Frédégonde“ ein funkelndes Juwel der Belle Époque

Rubrik: Bericht
erschienen in: das Orchester 02/2022 , Seite 46

Kohle aus tiefster Teufe wird in Dortmund schon lange nicht mehr gefördert. 1987 schloss die letzte Zeche der Westfalen-Metropole. Heute ist es dem Dortmunder Opernhaus vorbehalten, Preziosen ans Licht zu holen. Mit ihrem jüngsten Coup bewähren sich Intendant Heribert Germeshausen und Chefdramaturgin Merle Fahrholz, designierte neue Intendantin des benachbarten Essener Aalto-Theaters, mit Mut zum Besonderen als Trüffelsucher im versunkenen französischen Repertoire.
Ernest Guirauds und Camille Saint-Saëns’ Frédégonde – 1895 in Gegenwart des französischen Präsidenten im Pariser Palais Garnier im Stil der Grand opéra uraufgeführt und bis auf einen Wiederbelebungsversuch 2017 im City Opera House Ho Chi Minh in Vietnam nie wieder gespielt – erweist sich bei der Ausgrabung in Dortmund als funkelndes Juwel der Belle Époque. Die brillant musizierenden Dortmunder Philharmoniker unter der Leitung des japanischen Kapellmeisters Motonori Kobayashi haben am umjubelten Erfolg entscheidenden Anteil.
„Brunhilda“ sollte die Oper ursprünglich heißen. Mit Richard Wagners germanischer Mythenwelt aber hat sie nicht das Geringste zu tun. Vielleicht sollte der Titelwechsel die Nähe des Werkes zum damals in Paris grassierenden Wagnérisme kaschieren. Musikgeschichtlich höchst aufschlussreich ist in Dortmund zu erleben, wie sich Guiraud in den ersten drei Akten bis zu seinem Tod 1892 dem Romantiker Wagner in der Symbiose von Orchester und Gesang mit großen empor- und absteigenden Linien, peitschenden Orchesterhieben, prächtigen Fanfaren und satter Harmonik annäherte. Allerdings ohne Wagner so weit zu folgen wie Le roi Arthus, mit dessen Komposition Ernest Chausson im Frédégonde-Uraufführungsjahr 1895 begann.

 

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