Braunfels, Walter
Don Juan op. 34 / Symphonic Variations on an old french nursery song op. 15
Philharmonisches Orchester Altenburg-Gera, Ltg. Markus L. Frank
Jetzt einmal ehrlich: Walter Braunfels op. 34 klingt doch so, wie sich Wilhelm Furtwängler insgeheim Mozarts Instrumentation vielleicht gewünscht haben mag: in größerer romantischer Orchesterbesetzung, mit einer dichteren harmonischen Struktur und damit stärkeren Farbkontrasten für das Dionysische wie das Infernalische, als das möglich war vor 1800. Das lässt sich an Furtwänglers sängerisch überragender Auslegung bei den Salzburger Festspielen 1954 nachhören, in der die Wiener Philharmoniker mit künstlerisch anspruchsvoller Verdickung stellenweise die Oper aller Opern fast zum Stillstand bringen. Und Furtwängler war es auch, der in Leipzig 1924 die Uraufführung von Braunfels Don Juan op. 34 (Einleitung, Thema und sieben Variationen) dirigierte.
Dieses wirkungsvolle dreißigminütige Stück gehört wieder häufiger in die Konzerte, wie das Markus L. Frank, der designierte Generalmusikdirektor des Anhaltischen Theaters Dessau, mit der Philharmonie Altenburg-Gera in dieser Einspielung eindrucksvoll belegt. Für ein größeres Orchester sind die einleitenden Streicherwellen des Steinernen Gastes, die im besten Sinne aufgedonnert jubilierende Paraphrase der Champagner-Arie und das gegen Ende auftauchende Thema Là ci darem la mano Wirkungsfutter par excellence. Frank nimmt das weder zu leicht noch zu schwer und schwingt die Philharmonie Altenburg-Gera auf einer Ebene ein, die Braunfels Mozart zu einem reizvoll dunklen Konfekt macht: vollmundig im rassigen Bouquet, aber nicht zu rund. Comme il faut!
Das gilt auch für die Symphonischen Variationen über ein altfranzösisches Kinderlied op. 15, die mit Hermann Abendroth in Lübeck ebenfalls einen prominenten Uraufführungsdirigenten hatten. Dieses Werk steht deutlicher noch in der Tradition von Liszt und Schubert, zu denen in diesem wellmade score einige Bezüge betreffend Modulationen und Motivstruktur aufscheinen.
Einige Hörer mögen sich des Gefallens an diesen Werken schämen, für andere haben sie in der ästhetischen Ambivalenz von Eklektizismus und Distanzierung umso größeren Reiz. Insgesamt sind sie rückblickende Grenzsteine am Ende der großen Periode des Arrangierens und Variierens in der Kunstmusik. Das mag man Braunfels, der in der Sujetwahl seiner Opern so differenziert und nachdenklich vorging, nicht zugetraut haben. Trotz der menschlichen Abgründe Don Juans, in die man da wollüstig-mysteriös eintauchen kann, vermittelt die Einspielung Genussfreudigkeit und ein heiter-forsches Sich-Ausliefern an das kompositorische Material. Dass die Bläser dabei einen Kick eleganter klingen könnten, schadet nicht. Gelinde Unebenheiten passen hier sogar in die Aufführungsbalance und schützen die Werkauswahl vor einer nur kulinarischen Süffisanz.
Das Aufführungsverbot 1933 unterbrach bei beiden Werken die Aufführungskontuinuität, in beiden Fällen war die Wiederentdeckung überfällig.
Roland H. Dippel