Jens Daniel Schubert

Döbeln: Die lustigen Weiber feiern ein Theaterjubiläum

Das Mittelsächsische Theater mit neuem Leitungsteam

Rubrik: Bericht
erschienen in: das Orchester 01/2023 , Seite 48

Grund zum Feiern! Das Theater in Döbeln ist 150, denn durch die Fusion mit Freiberg zum Mittelsächsischen Theater wurde 1993 die Abwicklung verhindert. Der neue Intendant des „MiT“, der aus dem Solistenensemble des Theaters auf den Intendantenstuhl gewechselte Sergio Raonic Lukovic, bewegt sich aufs Publikum, auf die Döbelner insbesondere, zu.
Die erste Musiktheaterpremiere der Saison kam nicht wie üblich in Freiberg, sondern in Döbeln heraus und bedient das selten gewordene Genre der heiteren Spieloper. Die lustigen Weiber von Windsor von Otto Nicolai greift den Falstaff-Stoff von Shakespeare auf, legt aber neben schwärmerischen, romantischen Melodien auch biedermeierliche Beschaulichkeit über die deftigen Figuren.
Stephan Pratters packt die Bühne in weiße Folie, Gräben durchziehen die Spielfläche, ein großer Sack mit Hanfblüte und eine Psycho-Couch deuten auf heutige High Society. Nina Reichmanns schicke, manchmal extravagante Kostüme verorten das Stück endgültig im Heute. Spielerisch ist diese weitgehend leere Bühne eine Herausforderung, die die Darsteller:innen unter Lukovics Führung gut meistern. Wer was von wem will, ist deutlich nachvollziehbar. Allerdings wird die Geschichte nicht heutiger, nur weil man sie hier ansiedelt. Dafür wird sie zu geradlinig, ganz ohne doppelten Boden, ganz ohne Reibeflächen und Fragezeichen gespielt. Geld oder Liebe, schon in der Ouvertüre als Thema angelegt, und die Überlegenheit weiblicher List über männliche Eitelkeit und Eifersucht sind ebenso heutig wie uralt. Dass alle Figuren, ob Falstaff oder die Weiber, ob eifrige Ehemänner oder Möchtegern-Liebhaber, immer mehr an Charakter haben, als auf den ersten Blick zu sehen ist, wird zu wenig gezeigt, als dass es die Figuren und ihre Geschichten bereichern würde.
Musikalisch setzt der neue Chef Attilio Tomasello schöne Akzente. Die straffe Strichfassung vermeidet eine schlichte Hitparade populärer Melodien. Mit klarer Strukturierung bringt er dafür manch schöne Klangfarbe Weber’scher Empfindsamkeit zum Leuchten. Neben der Mittelsächsischen Philharmonie kommen Chor, Extrachöre und Solistenensemble gut zur Geltung. Frank Blees gibt den Falstaff weit weniger plump und polterig als üblich. Lindsay Funchal als Frau Fluth steht mit glanzvollem Sopran über dem Ensemble, Kirsten Scott ist als Frau Reich sinnlich und übersinnlich unterwegs. Eine schöne Ergänzung des Terzetts der lustigen Weiber ist Valerie Gels als Jungfer Anna. Herausragend und vielversprechend klingt Inkyu Park als Fenton.
Die Eifersucht des Herrn Fluth – Beomseok Choi gibt diesem ein stimmlich überzeugendes Profil – macht ihn zur zweiten männlichen Hauptfigur. Die beiden Bräutigame werden als kuriose Typen geführt, Frank Unger übernimmt als Junker Spärlich die Rolle des Psychoanalytikers, ohne eine vielleicht dahinterstehende Idee zu vertiefen. Selbst das finale sommernächtliche Spukgeschehen bleibt ein oberflächlicher Partygag, folgenlos für alle. Die Ehepaare versöhnen sich, das Liebespaar heiratet und selbst der alte Zausel Falstaff bekommt schlussendlich die, die sich von Anfang an um ihn bemüht.
Wie nachhaltig die Charmeoffensive des Theaters in Döbeln wirkt, wird sich zeigen. Das Theaterfest zum Jubiläum war gut besucht, die Premiere wurde gefeiert. Der Anfang ist gemacht, musikalisch überzeugend, szenisch mit Steigerungsmöglichkeit.