Eötvös, Peter
Dodici per sei
für 6 Violoncelli, eingerichtet von Christian Schumann, Partitur und Stimmen
Musik für Celloensemble boomt! Und dies seit mehr als vier Jahrzehnten, ausgelöst im Wesentlichen durch eine außergewöhnliche Truppe, die nach wie vor besteht und sich im Lauf der Zeit personell und programmatisch immer wieder runderneuert hat: die 12 Cellisten der Berliner Philharmoniker. Ihnen und ihrer nie versiegenden Neugier ist es zu danken, dass das Repertoire für die exotische Besetzung nicht nur stetig gewachsen ist, sondern eine beeindruckende Bandbreite aufweist. Neben Arrangements von Bach bis John Williams stehen zahlreiche Originalwerke, die die 12 Berliner bei zeitgenössischen Komponisten in Auftrag gegeben haben.
Zu ihnen zählt auch der Ungar Peter Eötvös, einer der wenigen Gegenwartskomponisten, die den Spagat vollbringen, neue Musik zu schreiben, die publikumswirksam ist, ohne ihr authentisch-avantgardistisches Idiom aufzukündigen. Anlässlich der Berliner Proben zu Eötvös Cello Concerto Grosso einer Komposition für Solo-Cello, acht weitere Celli und Orchester entstand die Idee, das Werk in eine Version für 12 Celli zu transformieren. Die Umarbeitung, so Eötvös, lief wie geschmiert, doch war der Komponist anschließend überrascht zu erfahren, dass sich die Philharmonischen Cellisten keineswegs ein Stück für Solisten mit Begleitung von ihm gewünscht hatten: Nein, wir sind eine demokratische Gruppe. Könnten Sie das bitte so umschreiben, dass wir eine gleichmäßige Verteilung der Solostimme haben?
In dieser nochmals veränderten Form wurde Dodici 2014 in der Kölner Philharmonie anlässlich des 70. Geburtstags von Peter Eötvös uraufgeführt. Der Komponist macht ausgiebigen Gebrauch von Spieltechniken und Melodien transsylvanischer Volksmusik, freilich nicht in ihren Originalgestalten, sondern die Prinzipien Bartóks weiterführend stark verfremdet. Besondere Koloristik entfalten die Anspielungen an das Gar-
dony, ein Pseudo-Cello, dessen Saiten im folkloristischen Kontext mit einem Stock traktiert und zugleich mit der linken Hand angezupft werden. Eötvös setzt diese Technik in nobilitierter Form ein und knüpft zugleich an das sogenannte Bartók-Pizzicato an, das seinerseits auf volksmusikalische Wurzeln zurückgeht.
In rasendem Zweiunddreißigstel-Gewitter beginnend, birst Dodici über weite Strecken förmlich vor Energie und zupackender Attacke, bevor es pianissimo in flirrenden Trillerketten ausklingt. Das einsätzige Stück stellt höchste Ansprüche an Spieltechnik, Zusammenspielkultur und rhythmische Flexibilität. Zugleich erleben wir wahre Explosionen ungebremster Spielfreude.
Nicht überall findet man zwölf gleichermaßen virtuose Cellisten an einem Ort. Um so erfreulicher, dass Schott hier eine von Christian Schumann erstellte Reduktion des Stücks für Cello-Sextett vorlegt. Die demokratische Struktur alle Stimmen sind am solistischen Geschehen beteiligt wurde auch in diese Version übertragen. Nehmen wir die Einladung an, üben wir Eötvös! Es lohnt sich!
Gerhard Anders