Inamori, Yasutaki

Divide et impera

für Luophon, Bassklarinette, Kontraforte, Harfe, Violine und Violoncello, Studienpartitur

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Gravis, Brühl 2014
erschienen in: das Orchester 05/2015 , Seite 74

Komponist Yasutaki Inamori weiß ganz genau, wie diese Musik klingen soll. Die Spielanweisungen sind, bis hin zur gewünschten Aufstellung des Ensembles, präzise angegeben. Das Sextett wird von einem Dirigenten geleitet. Und das ist sicher auch notwendig, denn in den neun Minuten Musik für die recht apokryphe Besetzung gilt es, rhythmisch vertrackte und technisch schwierige Passagen elegant über die Bühne zu bringen.
Inamori hat hier mit Lupophon und Kontraforte zwei neue, tiefe Instrumente aus der Werkstatt Guntram Wolfs (Letzteres in Zusammenarbeit mit Benedikt Eppelsheim) eingesetzt. Die Bassklarinette ist der dritte Bläser im Bunde. Harfe, Violine und Violoncello kommen dazu. Die hier vorliegende Studienpartitur ist transponiert notiert. Neue Spieltechniken werden, wie üblich, im Vorwort erläutert. Vierteltöne und Dreivierteltöne, Bisbigliandi (Wechsel vom konventionellen zum alternativen Griff auf einem Ton, um die Klangfarbe zu verändern), Multiphonics, perkussiv klingende Zungenstöße ohne Ton (bei den großen, tiefen Bläsern gut möglich, wenn auch ein sehr leiser Klangeffekt), Glissandi und Flatterzunge erwarten die Bläser. Die Streicher sowie die Harfe haben Glissandi, Battuti (die Saiten mit den Bogenhaaren schlagen) und Fingerschläge auf den Saiten auszuführen.
Im Moderato geht es los. Die Bläser bilden eine perkussive Gruppe, ein paar zarte Töne der Saiteninstrumente untermalen sie. Sechzehntel im Lupophon, dann in der Bassklarinette, dann im Kontraforte laufen in den ersten Takten durch und sorgen für Fluss. Wer gerade nicht diese Sechzehntel spielt, hält septolische, quintolische oder sextolische Gruppen dagegen. Die Harfe hat bald Achteltriolen und Septolen in der rechten Hand dazu. Das rhythmische Gewirr nimmt, wohl überlegt und genau notiert, zu. Dann nähern sich im Lupophon Tonrepetitionen in Form von Achteltriolen, vom Pianissimo ins Piano wachsend – jedoch wird der Ton jedes Mal mit anderer Klangfarbe geblasen, indem vom konventionellen zum alternativen Griff gewechselt wird.
Nach längerer, klangbetonter Triolenphase in allen Stimmen folgt ein Allegro, bewegte Sechzehntel geben den Musikern Möglichkeiten, mit blitzblanker Technik zu brillieren. Üben ist schlicht notwendig. Große melodische Bögen oder Kantilenen, die Lupophon, Bassklarinette und Kont­raforte ihre schönen Töne zeigen lassen können, fehlen. Stattdessen werden die drei großen Bläser emanzipiert durch die Sechzehntel geschickt. Die Saiteninstrumente sind wichtig als akustischer Kontrast – Inamori lässt die beiden Gruppen oft sogar in kurzen Wechseln spielen. Lento, dann più lento, geht es bis zum Ende, viele kleine Figuren und Einwürfe (gespickt mit Multiphonics) erfordern Genauigkeit.
Dieses Stück ist reizvoll und sehr anspruchsvoll. Es erfordert Liebe zur Neuen Musik und professionelle Beherrschung des Instruments. Auch müssen die beiden großen Exoten Lupophon und Kontraforte nicht nur zur Verfügung stehen, sondern auch gespielt werden können.
Heike Eickhoff