Wolfgang Amadeus Mozart

Divertimento Es-Dur KV 563/Streichtrio-Satz G-Dur Anh. 66/KV 562e

Trio Oreade: Yukiko Ishibashi (Violine), Ursula Sarnthein (Viola), Christine Hu (Violoncello)

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Ars Produktion
erschienen in: das Orchester 12/2019 , Seite 70

Das späte Streichtrio ist in mehrfacher Hinsicht ein seltsames, rätselhaftes Werk. Zum einen nennt Mozart es Divertimento, und als Unterhaltungsmusik während einer Gesellschaft – seiner ursprünglichen Funktion – fordert das Werk mit seiner edlen Kontrapunktik viel zu viel Aufmerksamkeit. Zum andern ist das Streichtrio schon eine Gattung, bei der man sich um 1788 sicher fragte, ob da nicht eine Geige oder ein Klavier fehlt?
Und warum schrieb Mozart überhaupt zwei Sätze (ein zusätzliches Andante und ein Menuett) mehr als sonst und kommt so auf ca. 50 Minuten Spieldauer, ohne dass ein Auftraggeber bekannt ist? Musik für die Schublade? Sicher nicht, auch wenn sie erst nach Mozarts Tod publiziert wurde. Sie scheint für den eigenen Gebrauch oder eine Runde anspruchsvoller Freunde geschrieben und braucht einen profunden Cellisten, der auch in der Höhe sauber spielen kann. Die anspruchsvolle Partitur fand denn auch stille Bewunderer: Beethoven etwa, der bald selbst Streichtrios schrieb.
Mozarts Divertimento ist also ein Sonderwerk, das nicht so recht in die üblichen Schubladen passt. Das in Zürich beheimatete Trio Oreade mit Yukiko Ishibashi (Violine), Ursula Sarnthein (Viola) und Christine Hu (Violoncello) widmet sich einer Gattung, die bei Mozart zumindest und sicher auch bei Beethoven aus ihrer scheinbaren „Unvollständigkeit“ Kapital zu schlagen weiß: Klarheit und Transparenz bestimmen den musikalischen Satz, Klangfülle ist durch
die verwendeten drei wundervollen Stradivari-Instrumente garantiert.
Dabei sind die drei mehrfach ausgezeichneten Musikerinnen ein eingeschworenes Team, das die Leichtigkeit des Tonfalls, die intelligente Heiterkeit von Mozarts Erfindungsgabe hervorragend umsetzt, ohne die plötzlichen Stimmungsumschwünge ins Melancholische zu überspielen. Sicher gibt es Interpretationen, die diese drastischer herausarbeiten, doch das Oreade-Ensemble ignoriert diese ja nicht, es putzt sie nur nicht grell heraus und macht sich nicht interessant durch krasse Kontraste und bedrohliche Gesten. Dies gilt auch für das die CD vervollständigende, von Franz Beyer ergänzte Trio-Fragment G-Dur Anh. 66/KV 562e.
So lebt dieser Mozart durch die souveräne musikalische Kompetenz seiner Interpretinnen, die die Töne sprechen lassen und Virtuosität zeigen, wo es nötig ist (etwa Eröffnungs- oder im Schluss-Allegro sowie besonders im Variationen-Andante der Serenade). Das Ensemble trumpft dabei nicht mit greller Farbigkeit auf, sondern besinnt sich auf das klassische Ideal der stillen, schlichten Größe der Komposition, die sich nicht in äußerlicher Erregtheit ergeht, sondern vielmehr auf abgestufte, dabei durchaus auch temperamentvoll kolorierte Nuancierung vertraut: eine Qualität, die heute nicht eben häufig anzutreffen ist, aber im wahren Kammermusikfreund einen sicheren Bewunderer findet.
Matthias Roth