Christoph Schäfer
Dirigieren Plus
Dirigiertechnik, Persönlichkeitsentwicklung, (Selbst-)Organisation. Mit Workbook und digitalem Zusatzmaterial
Die Tage autoritärer Alphatiere am Dirigentenpult seien gezählt, so die Eingangsthese des Autors von Dirigieren Plus, und mehr und mehr gehe es für künftige Maestri darum, Sinn zu stiften, zu motivieren und ihre Ensembles zur Realisierung eigener glaubhafter Visionen zu führen.
Dazu nun will Christoph Schäfer, selbst Angehöriger der jungen, weniger alphatierischen Dirigentengeneration, mit diesem Buch seinen Beitrag leisten, indem er die Schlüsselkompetenzen dafür darstellt und erklärt, wie man sie erreichen kann: Kompetenzen im fachlichen, sozialen und methodischen Bereich. Immer mit dem Ziel, bestmögliche musikalische Resultate zu erreichen.
Einmal abgesehen davon, dass es eine Spur vermessen scheint, Themen wie Persönlichkeitsentwicklung als einen von mehreren Bereichen in einem Buch von 140 Seiten auch nur ansatzweise befriedigend abzuhandeln, muss der Leser für sich erst einmal eine gewisse inhaltliche Schizophrenie auflösen: Einerseits werden da die absoluten Grundlagen der Dirigiertechnik vermittelt – vom richtigen Stand über die Grundschläge in den verschiedenen Taktarten bis zu Tempowechseln etc. – und andererseits Führungstipps gegeben. Nur, selbst Studienanfänger an der Hochschule sollten über ersteres Stadium bereits hinaus sein und würden insofern vielleicht von dem Teil mit der Persönlichkeitsentwicklung profitieren – ganz abgesehen von gestandenen Dirigenten. Komplette Dirigieranfänger – stellen wir uns einen 16-jährigen C-Kurs-Schüler vor – haben es dagegen noch weit, bis ihnen die Tipps für die Persönlichkeitsentwicklung eines Tages vielleicht zupasskommen könnten. Und ja, ein in die festgefügten Abläufe eines Opernhauses oder eines Rundfunkensembles eingebundener Dirigent wird die meisten der Checklisten oder Aktionspläne in diesem Buch nur begrenzt umsetzen können.
Zweifelsohne wird vom einen oder anderen hier besprochenen Aspekt dennoch jeder profitieren, der in der einen oder anderen Form einen Chor oder ein Orchester leitet. Doch eigentlich zugeschnitten ist das Buch auf Dirigenten, die – wie der Autor selbst – viel mit Laienensembles, Studentenchören, freien Gruppen und Orchestern arbeiten, sich also mehr oder weniger von A bis Z selbst organisieren, neue Sänger und Spieler anwerben und alte bei der Stange halten müssen. Und speziell für solche Dirigenten bietet Schäfer wirklich wertvolle Anregungen und Anleitungen, sei es im Bereich Persönlichkeitsentwicklung (Stichworte Führungsstil, Führungskräftekompetenzen), im Feld der
(Selbst-)Organisation und Ensemblearbeit mit dafür sinnvollen Methoden und Denkanstößen oder im abschließenden Workbook, in dem von den Grundschlagarten bis zur Konzert-Orga-Checkliste alles noch einmal praktisch zum Ankreuzen und Ausfüllen wiederholt wird.
Und ja, wenn wir ehrlich sind: Auch manch gestandenem Alphatier möchte man den Abschnitt über Führungsmethoden und -kompetenzen wirklich ans Herz legen!
Andrea Braun