Schmid, Silke
Dimensionen des Musikerlebens von Kindern
Theoretische und empirische Studie im Rahmen eines Opernvermittlungsprojekts
Erwachsene planen und entwickeln musikpädagogische Angebote
für Kinder, sei es im Schulkontext oder im Kontext einer Kultureinrichtung, und greifen dabei meist auf einen subjektiven Schatz von Erfahrungen in der Arbeit mit Kindern zurück. In Gesprächen zwischen Musikvermittlern und Musikpädagogen ist oft von das funktioniert gut oder aber auch das brauchst du mit Kindern gar nicht zu probieren die Rede. Silke Schmid geht mit ihrer Dissertation wesentlich tiefer und versucht sich dem multidimensionalen Musikerleben von Kindern auf vielfältige Weise zu nähern und dabei vor allem Kinder und ihre verbalen und bildnerischen Aussagen selbst in den Mittelpunkt ihrer quantitativen und qualitativen Studie zu rücken.
Im theoretischen Teil ihrer Arbeit entwickelt sie ein Modell der Dimensionen, die beim Musikmachen und Musikhören im Kindesalter eine besondere Rolle spielen, und verortet diese in der Leiblichkeit (lebensweltliche Erfahrungen im Körperwissen), in der Narrativität (Musik als eine Sprache, die sich im zeitlichen Ablauf nach bestimmten Regeln entwickelt) und in der Beziehungshaftigkeit (Musik als Projektionsfläche für Beziehungen und Verhältnisse). Ein multidimensionales Forschungsdesign,
das sowohl als Evaluation eines konkreten Opernvermittlungsprojekts der Oper Stuttgart dient als auch darüber hinaus führende Erkenntnisse für die Praxis der Musikpädagogik und Musikvermittlung erbringt, leitet den Leser anschließend durch die einzelnen Arbeitsschritte von Silke Schmid. Eine quantitative Erhebung erfasst die musikalischen Voreinstellungen und Erwartungen der Kinder, qualitative Zugänge wie teilnehmende Beobachtung, Leitfadeninterviews, Gruppendiskussionen und Kinderzeichnungen vertiefen vor allem die Dimensionen des Musikerlebens und Unterschiede in der Einstellung zur Oper als Kunstform vor und nach dem Projekt.
Das Buch bietet in seiner Fülle an Verweisen und Verortungen zu aktuellen musikpädagogischen Diskussionen eine fundierte Zwischenbilanz zum Stand des Nachdenkens über das Musikerleben und die Wirkung von musikpädagogischem Handeln aber es geht darüber wesentlich hinaus, weil Silke Schmid den Kindern selbst auf vielfältige Weise zum Ausdruck verhilft. Auch für Praktiker bietet die Arbeit wertvolle Hinweise zur Gestaltung zukünftiger Projekte: Unterschiedliche Projekt-Erwartungen und Bewertungen von Buben und Mädchen sollten bedacht werden, ebenso wie die besondere Faszination, die Musiker und Sänger auf Kinder ausüben, wenn konkrete Beziehungen hergestellt werden können. Darüber hinaus spielt die Beschaffenheit und Materialität von Musikinstrumenten für Kinder eine überaus große Rolle.
Interessanterweise ergab die Untersuchung, dass Kinder mit Migrationshintergrund nicht mehr oder weniger aufgeschlossen gegenüber Oper waren als ihre Klassenkameraden ohne Migrationshintergrund.
Constanze Wimmer