Ahrens, Christian

Die Weimarer Hofkapelle 1683-1851

Personelle Ressourcen - Organisatorische Strukturen - Künstlerische Leistungen

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Studio Punkt Verlag, Sinzig 2015
erschienen in: das Orchester 01/2016 , Seite 68

Der Musikwissenschaftler Christian Ahrens legt mit Die Weimarer Hofkapelle 1683-1851 eine über 600 Seiten starke, spannend zu lesende Forschungsarbeit vor. Genauestens recherchiert sind fast zwei Jahrhunderte Geschichte dieses traditionsreichen Klangkörpers, der sich in Struktur und Funktion deutlich von denen der umliegenden kleinen Fürstentümer, aber auch vom  kursächsischen Hof in Dresden abhob. Die Aktivitäten der verschiedenen Musikformationen (Hofkapelle, Ensembles aus Stadt- und Laienmusikern) und ihre Bedeutung für die Entwicklung einer eigenständigen Orchesterkultur kommen hier genauso zur Sprache wie die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Musiker und ihrer Familien. Des Weiteren bekommt der Leser ein plastisches Gefühl für das Leben der Musiker am Weimarer Hof ab den ersten Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts bis zum Ende der Dienstzeit von Hippolyte André Jean Baptiste Chélard (Nachfolger des Kapellmeisters Johann Nepomuk Hummel) im Jahr 1851.
Reichhaltig abgedrucktes Quellenmaterial wie Briefe, Bittschriften und Dienstanweisungen werden in angemessenem Umfang kommentiert und weitere Zeitzeugnisse wie Besoldungstabellen und Übersichten von Lebensmittelpreisen lassen mühelos in diese Welt eintauchen. Besonderes Augenmerk liegt neben den Kapellmeistern, Kapellmitgliedern sowie den Stadt- und  Militärmusikern auf den Trompetern, Hautboisten und Waldhornisten.
Gekonnt bringt Ahrens außerdem Licht in Dinge wie den sogenannten „Trompeterstreit“ von 1699/1700. Er beleuchtet die Aufgaben und die soziale Situation der Musiker und spickt die Fakten mit facettenreichen Fallbeispielen, wie etwa im Fall der Neubesetzungen von Stellen in der Hofkapelle oder die Vorrechte und Bezahlung einzelner Instrumentalisten. Geradezu schmunzeln muss man, wenn man das Kapitel „Von den fußkranken Trompetern“ liest: Um die Erziehung des Erbprinzen Ernst August II. Constantin zu vervollkommnen, wollte man diesen mit einem Gefolge aus einigen Trompetern und Paukern nach Gotha schicken. 21 in Weimar angestellte Trompeter wurden befragt, ob sie bereit wären, den jungen Prinzen an den Nachbarhof zu begleiten. Nur vier Trompeter und ein Pauker erklärten sich am Ende dazu bereit. Alle anderen hatten Ausreden wie „habe Weib und vier Kinder“ bis „beständiges Rothlaufen an Füßen“. Der Pauker ist sowieso nicht zu gebrauchen – „wegen seiner beständigen Völlereÿ und liederlichen Lebens“.
Berichte über die Probespielpraxis der damaligen Zeit sind von Ahrens fein säuberlich zusammengetragen, und so liest sich auch hier plastisch, was während der Vorspiele über die Vor- und Nachteile der Kandidaten notiert wurde und weshalb am Ende jemandem die Anstellung übertragen wurde.
Kleinere, aber nicht weniger lesenswerte Berichte über das Vorrecht auf den Taktstock und den Kampf für ein musikalisches Urheberrecht ergänzen die Forschungsarbeit gekonnt und machen das Buch zu einem profunden Werk, welches in keiner Bibliothek eines musikhistorisch Interessierten fehlen sollte.
Kristin Thielemann